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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Außerdem besaß er Talente, er aquarellierte, konnte Noten lesen und beschäftigte sich gern mit Literatur, nach dem Abendessen, wenn er nicht Karten spielte. Monsieur Homais schätzte ihn wegen seiner Bildung; Madame Homais mochte ihn wegen seiner Zuvorkommenheit, denn häufig begleitete er die kleinen Homais’ in den Garten, verschmierte Bälger, die äußerst schlecht erzogen waren und etwas phlegmatisch, wie ihre Mutter. Um sie kümmerte sich, außer dem Mädchen, noch Justin, der Apothekerlehrling, ein entfernter Cousin von Monsieur Homais, den man aus Barmherzigkeit ins Haus genommen hatte und zugleich als Diener.
    Der Pharmazeut erwies sich als der allerbeste Nachbar. Er gab Madame Bovary Empfehlungen für Lieferanten, ließ eigens seinen Cidre-Händler kommen, verkostete selber das Getränk und überwachte im Keller, dass die Fässer richtig gelagert wurden; er verriet auch, was sie anstellen musste, um sich ihren Buttervorrat günstig zu verschaffen, und traf eine Abmachung mit Lestiboudois, dem Küster, der sich neben seinem Kirchen- und Totengräberamt um die wichtigsten Gärten von Yonville kümmerte, stundenweise oder übers ganze Jahr, ganz nach Wunsch der Klientel.
    Nicht allein das Bedürfnis, anderen zu helfen, trieb den Apotheker zu so viel öliger Herzlichkeit, dahinter steckte eine Absicht.
    Er hatte gegen das Gesetz vom 19. Ventose des Jahres XI verstoßen, welches in Artikel 1 jedem, der nicht über ein entsprechendes Zeugnis verfügt, die Ausübung der Medizin untersagt; und so war Homais aufgrund finsterer Denunziationen nach Rouen zitiert worden, vor den Königlichen Staatsanwalt, in sein Privatkabinett. Der hohe Beamte hatte ihn stehend empfangen, in seiner Robe, Hermelin über der Schulter und Barett auf dem Kopf. Es war am Morgen, vor der Sitzung des Gerichts. Man hörte draußen auf dem Flur die groben Stiefel der Gendarmen und etwas wie das ferne Knirschen mächtiger Schlösser, die verriegelt wurden. Dem Apotheker rauschte das Blut in den Ohren, dass er fürchtete, gleich einen Schlaganfall zu bekommen; schon sah er unterirdische Verliese, seine Familie aufgelöst in Tränen, die Apotheke verkauft, alle Behälter verstreut; er musste ein Kaffeehaus aufsuchen und ein Glas Rum mit Selterswasser trinken, um sich von dem Schreck zu erholen.
    Mit der Zeit verblasste die Erinnerung an diese Admonition, und wie einst hielt er wieder harmlose Sprechstunden im Hinterzimmer seines Ladens. Aber der Bürgermeister hatte es auf ihn abgesehen, Kollegen waren missgünstig, man musste mit allem rechnen; wenn er Monsieur Bovary durch Aufmerksamkeiten für sich gewann, erwarb er sich seine Dankbarkeit und verhinderte, dass er später einmal redete, sollte er irgendetwas bemerken. Darum brachte Homais ihm jeden Morgen die Zeitung und verließ nachmittags oft für ein Weilchen die Apotheke, um mit dem Sanitätsbeamten ein wenig zu plaudern.
    Charles war niedergeschlagen: es kamen keine Patienten. Stundenlang saß er herum, ohne ein Wort zu sagen, legte sich in seinem Sprechzimmer schlafen oder beobachtete seine Frau beim Nähen. Um auf andere Gedanken zu kommen, arbeitete er im Haus wie ein Knecht und versuchte sogar, den Dachboden zu streichen, mit einem Rest Farbe, den die Maler zurückgelassen hatten. Aber die Geldangelegenheiten machten ihm Kopfzerbrechen. Er hatte so viel ausgegeben für die Reparaturen in Tostes, für Madames Kleider und für den Umzug, dass die gesamte Mitgift, über dreitausend Écu, innerhalb von zwei Jahren aufgebraucht war. Wie viele Dinge waren zudem beim Transport von Tostes nach Yonville beschädigt worden oder verlorengegangen, den gipsernen Pfarrer gar nicht mitgerechnet, denn der war bei einem allzu kräftigen Ruck vom Karren gefallen und auf dem Pflaster von Quincampoix in tausend Scherben zerschellt!
    Eine angenehmere Sorge lenkte ihn jedoch ab, nämlich die Schwangerschaft seiner Frau. Je näher der Zeitpunkt für die Geburt herankam, desto liebevoller umhegte er sie. Ein anderes fleischliches Band war im Entstehen, und er hatte das stete Gefühl, ihre Beziehung sei nun vollkommener. Wenn er von weitem ihre trägen Schritte sah und ihren Leib, der sich sachte drehte über den von keinem Mieder eingeschnürten Hüften, wenn sie einander gegenübersaßen und er sie ausgiebig betrachtete, die matt in ihrem Armstuhl lehnte, dann kannte sein Glück keine Grenzen; er sprang auf, umarmte sie, strich ihr mit den Händen übers Gesicht, nannte sie kleines Mütterlein, wollte

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