Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Stangen Kandiszucker, die er in einem Schrank gefunden hatte. Am Abend der Feier gab es ein großes Essen; der Pfarrer war zugegen; man kam in Stimmung. Monsieur Homais stimmte beim Likör Le Dieu des bonnes gens an, Monsieur Léon sang eine Barkarole und die alte Madame Bovary, die Taufpatin war, eine Romanze aus der Zeit des Kaiserreichs; schließlich verlangte Monsieur Bovary senior, man solle das Kind herunterbringen, und taufte es mit einem Glas Champagner, den er ihm von oben über den Kopf goss. Diese Verhöhnung des ersten aller Sakramente empörte den Abbé Bournisien; Vater Bovary antwortete mit einem Zitat aus La Guerre des dieux , der Pfarrer wollte gehen; die Damen flehten; Homais vermittelte; der Geistliche ließ sich zum Wiederhinsetzen bewegen und trank ruhig, aus dem Unterteller, sein halb geleertes Tässchen Kaffee.
Monsieur Bovary senior blieb noch einen Monat in Yonville und beeindruckte die Dorfbewohner durch eine stolze Feldmütze mit silbernen Tressen, die er jeden Morgen trug, wenn er auf dem Platz seine Pfeife rauchte. Da er auch die Gewohnheit besaß, viel Schnaps zu trinken, schickte er die Magd häufig in den Lion d’or , damit sie ihm eine Flasche kaufe, die für seinen Sohn angeschrieben wurde; und er verbrauchte zum Parfümieren seiner Tücher das gesamte Kölnischwasser aus dem Vorrat der Schwiegertochter.
Diese fühlte sich keineswegs unwohl in seiner Gesellschaft. Er war herumgekommen auf der Welt: er sprach von Berlin, von Wien, von Straßburg, von seiner Zeit als Offizier, den Mätressen, die er gehabt, den großen Gelagen, an denen er teilgenommen hatte; außerdem zeigte er sich liebenswürdig, und manchmal, auf der Treppe oder auch im Garten, fasste er sie um die Taille und rief:
»Charles, sei auf der Hut!«
Da bekam Mutter Bovary Angst um das Glück ihres Sohnes, und weil sie fürchtete, ihr Mann könne mit der Zeit einen unmoralischen Einfluss haben auf die Gedanken der jungen Frau, drängte sie auf schnelle Abreise. Vielleicht hatte sie noch schlimmere Sorgen. Monsieur Bovary war ein Mann, der vor nichts zurückschreckte.
Eines Tages spürte Emma ganz plötzlich das Bedürfnis, ihre kleine Tochter zu sehen, die bei der Frau des Tischlers in Pflege war; und ohne im Kalender nachzusehen, ob die sechs Wochen der Jungfrau Maria vorbei waren, brach sie auf zur Rolet’schen Wohnstatt, die am Dorfrand lag, am Fuß der Anhöhe zwischen Landstraße und Wiesen.
Es war Mittag; an den Häusern waren die Fensterläden geschlossen, und die Schieferdächer, die im harten Licht des blauen Himmels blitzten, sprühten an der Giebelspitze Funken. Ein schwüler Wind blies. Emma fühlte sich schwach beim Gehen; die Steinchen auf dem Trottoir taten ihr weh; sie überlegte, ob sie nicht umkehren sollte oder irgendwo haltmachen und sich hinsetzen.
In diesem Augenblick trat Monsieur Léon mit einem Stoß Papier unterm Arm aus einer nahen Tür. Er kam sie begrüßen und stellte sich vor Lheureux’ Laden unter die vorspringende graue Markise in den Schatten.
Madame Bovary sagte, sie wolle ihr Kind besuchen, sei aber schon müde.
»Wenn …«, erwiderte Léon, wagte jedoch nicht weiterzusprechen.
»Haben Sie irgendwo zu tun?« fragte sie.
Und nach der Antwort des Kanzlisten bat sie ihn mitzukommen. Noch am selben Abend wusste ganz Yonville davon, und Madame Tuvache, die Frau des Bürgermeisters, erklärte vor ihrer Dienstmagd, dass Madame Bovary sich kompromittiere.
Um zur Amme zu gelangen, musste man nach der Hauptstraße links abbiegen, so als wollte man zum Friedhof, und zwischen Häuschen und Höfen einem kleinen Weg folgen, von Liguster gesäumt. Sie blühten gerade, und ebenso die Veroniken, die wilden Rosen, die Brennesseln und die zarten Brombeerranken, die aus dem Gestrüpp ragten. Durch Löcher in den Hecken sah man bei den Masures hier und da ein Schwein auf einem Misthaufen oder unterm Kummet gebeugte Kühe, die an den Baumstämmen ihre Hörner wetzten. Langsam gingen die beiden nebeneinanderher, sie stützte sich auf ihn, und er zügelte seinen Schritt, suchte sich dem ihren anzupassen; vor ihnen tanzte ein Fliegenschwarm und summte in der warmen Luft.
Sie erkannten das Haus an einem alten Nussbaum, der seinen Schatten warf. Es war niedrig und mit braunen Ziegeln gedeckt, draußen, unter seiner Dachluke, hing ein Zwiebelkranz. Reisigbündel lehnten am Dornenzaun und umschlossen ein Salatbeet, ein paar Lavendelstöcke und blühende Wicken, die an Stangen hochrankten.
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