Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Schankwirte, den Pfarrer und schließlich Monsieur Tuvache, den Bürgermeister, mit seinen beiden Söhnen, reiche, dumpfe und stumpfe Leute, die eigenhändig ihre Äcker bestellten, im Familienkreis schlemmten, außerdem Frömmler waren und im Umgang vollkommen unerträglich.
Vor dem gewöhnlichen Hintergrund all dieser Menschengesichter jedoch stand Emmas Antlitz, allein und zugleich ferner; denn zwischen ihr und sich spürte er etwas wie dunkle Abgründe.
Anfangs war er einige Male zusammen mit dem Apotheker in ihr Haus gekommen. Charles hatte nicht den Eindruck gemacht, als sei er übermäßig interessiert an seinem Besuch; und Léon wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, zwischen der Angst, aufdringlich zu sein, und der Sehnsucht nach einer Vertrautheit, die ihm beinahe unmöglich schien.
Anmerkungen
IV.
Mit der ersten Kälte verließ Emma ihr Zimmer und zog in die große Stube, ein langer Raum mit niedriger Decke, auf dessen Kamin sich vor dem Spiegel ein üppiger Korallenstock ausbreitete. In ihrem Lehnstuhl am Fenster sitzend, sah sie draußen auf dem Trottoir die Dorfleute vorbeispazieren.
Léon ging zweimal am Tag von seiner Kanzlei in den Lion d’or . Emma hörte ihn von weitem; sie beugte sich vor, lauschte; und der junge Mann entschwand hinter der Gardine, stets gleich gekleidet und ohne den Kopf zu wenden. In der Dämmerung freilich, wenn sie, das Kinn in die linke Hand gestützt, ihre angefangene Stickerei in den Schoß hatte sinken lassen, zuckte sie oft zusammen, wenn dieser Schatten auftauchte und plötzlich entschwand. Sie sprang auf und gab Anweisung, den Tisch zu decken.
Monsieur Homais kam pünktlich während des Essens. Seine griechische Mütze in der Hand, trat er auf leisen Sohlen herein, um niemanden zu stören, und sagte immer den gleichen Satz: »Guten Abend, die Herrschaften!« Hatte er sich dann auf seinen Platz gesetzt, am Tisch zwischen den beiden Eheleuten, fragte er den Arzt nach seinen Patienten, und dieser holte sich Auskunft über die zu erwartenden Honorare. Anschließend plauderte man über das, was in der Zeitung stand. Homais kannte sie um diese Uhrzeit fast auswendig; und er sagte sie vollständig her, mitsamt den Betrachtungen des Journalisten und allen Geschichten von einzelnen Katastrophen, die sich in Frankreich oder im Ausland ereignet hatten. War dieses Thema ausgeschöpft, zögerte er nicht, die Speisen zu kommentieren, die er sah. Manchmal erhob er sich sogar ein wenig und zeigte Madame taktvoll das zarteste Stück oder wandte sich an das Dienstmädchen und erteilte Ratschläge für die Zubereitung von Ragouts und den gesunden Einsatz von Gewürzen; er sprach hinreißend über Aromen und Extrakte, Säfte und Gallerte. Den Kopf vollgestopfter mit Rezepten als seine Apotheke mit Glasbehältern, fabrizierte Homais übrigens eine Menge ganz ausgezeichneter Konfitüren, Essige und süßer Liköre, und er kannte auch die neuesten Erfindungen von Sparherden, beherrschte die Kunst, Käse zu konservieren und kranke Weine zu retten.
Um acht kam Justin ihn holen, weil die Apotheke geschlossen wurde. Monsieur Homais musterte ihn dann mit schelmischem Blick, vor allem wenn Félicité zugegen war, er hatte nämlich bemerkt, wie gern sein Schüler in das Haus des Arztes ging.
»Mein Bürschchen«, sagte er, »bekommt langsam Flausen, und hol mich der Teufel, ich glaube, er ist in Ihr Mädchen verliebt!«
Ein schlimmeres Laster jedoch war, und das hielt er ihm vor, dass er ständig alle Gespräche belauschte. Sonntags zum Beispiel war er nicht wieder aus dem Salon zu bringen, wenn Madame Homais ihn gerufen hatte, damit er die Kinder holte, die auf den Lehnstühlen einschliefen und mit ihren Rücken die viel zu großen Kalikobezüge herunterzogen.
Es kamen wenig Leute zu diesen Abendgesellschaften des Apothekers, denn wegen seiner bösen Zunge und seiner politischen Ansichten hatten sich im Laufe der Zeit verschiedene ehrbare Leute von ihm abgewandt. Der Kanzlist erschien regelmäßig. Sobald er die Klingel hörte, lief er Madame Bovary entgegen, nahm ihr den Shawl ab und stellte unter den Schreibtisch der Apotheke die dicken geflochtenen Pantoffeln, die sie über ihren Schuhen trug, wenn es geschneit hatte.
Zuerst spielte man einige Partien Trente-et-un; dann wechselten Monsieur Homais und Emma zu Écarté; Léon stand hinter ihr und gab Hinweise. Während seine Hände auf der Lehne ihres Stuhls lagen, betrachtete er die Zähne des Kamms, der in ihrem Haarknoten
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