Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Worte:
»Gute Reise!«
»Guten Abend«, erwiderte Monsieur Guillaumin. »Los!«
Sie fuhren ab, und Homais ging heimwärts.
Madame Bovary hatte ihr Fenster zum Garten hin aufgemacht und blickte empor zu den Wolken.
Sie türmten sich in westlicher Richtung, über Rouen, und wälzten mit großer Geschwindigkeit ihre schwarzen Voluten, hinter denen die großen Strahlen der Sonne hervorstachen, gleich den Goldpfeilen einer aufgehängten Trophäe, während der übrige Himmel leer war und weißschimmernd wie Porzellan. Ein Windstoß jedoch bog die Pappeln, und plötzlich fiel Regen; er prasselte auf die grünen Blätter. Dann schien wieder die Sonne, die Hühner gackerten, Spatzen plusterten ihre Flügel im nassen Gebüsch, und auf den Wasserpfützen im Sand trieben die rosa Blüten einer Akazie.
»Ach! bestimmt ist er schon weit!« dachte sie.
Monsieur Homais kam wie gewöhnlich um halb sieben, beim Abendessen.
»Na«, sagte er und nahm Platz, »da haben wir also vorhin unseren jungen Mann auf die Reise geschickt?«
»Scheint so!« antwortete der Arzt.
Dann, mit einer leichten Drehung auf seinem Stuhl:
»Und was gibt’s bei Ihnen Neues?«
»Nichts Besonderes. Nur meine Frau war heute nachmittag ein bisschen aufgewühlt. Sie wissen ja, die Frauen bringt jede Kleinigkeit durcheinander! meine vor allem! Und es wäre falsch, sich darüber zu empören, denn ihr Nervensystem ist viel leichter zu beeinflussen als unseres.«
»Der arme Léon!« sagte Charles, »wird es ihm gut ergehen in Paris? … Wird er sich einleben?«
Madame Bovary seufzte.
»Aber ich bitte Sie!« sagte der Apotheker und schnalzte mit der Zunge, »die ausschweifenden Gelage im Restaurant! die Maskenbälle! der Champagner! eins folgt aufs andere, das garantiere ich Ihnen.«
»Ich glaube nicht, dass er auf Abwege kommt«, hielt Bovary entgegen.
»Na, ich genausowenig!« erwiderte Monsieur Homais lebhaft, »aber er wird sich anschließen müssen, sonst gilt er schnell als Jesuit. Und Sie haben ja keine Ahnung, was für ein Leben diese Spaßvögel führen, im Quartier Latin, mit den Schauspielerinnen! Außerdem sind die Studenten gern gesehen in Paris. Haben sie nur ein bisschen Geist und Witz, empfängt man sie in der besten Gesellschaft, und es gibt sogar Damen aus dem Faubourg Saint-Germain, die sich in sie verlieben, was in der Folge Gelegenheit bietet, eine reiche Heirat zu machen.«
»Aber«, sagte der Arzt, »mir ist bange um ihn … er kann dort …«
»Sie haben recht«, unterbrach der Pharmazeut, »das ist die Kehrseite der Medaille! und ständig muss man die Hand auf der Westentasche haben. Nehmen wir einmal an, Sie sind in einem öffentlichen Park; ein Unbekannter tritt näher, gut gekleidet, sogar Ordensträger, man könnte ihn für einen Diplomaten halten; er spricht Sie an; Sie plaudern; er macht sich angenehm, offeriert Ihnen eine Prise oder reicht Ihnen den Hut. Dann lernt man sich besser kennen; er nimmt Sie mit ins Kaffeehaus, lädt Sie ein auf sein Landgut, stellt Ihnen nach ein paar Gläschen allerhand Leute vor, und fast immer will er bloß Ihren Geldbeutel mopsen oder verstrickt Sie in üble Sachen.«
»Das ist schon richtig«, antwortete Charles; »aber ich dachte vor allem an Krankheiten, Typhus zum Beispiel, der befällt gern die Studenten aus der Provinz.«
Emma erschauerte.
»Schuld an allem ist der Kostwechsel«, fuhr der Apotheker fort, »und die damit einhergehende Störung im gesamten Organismus. Und außerdem, das Pariser Wasser, verstehen Sie! die Gerichte in den Restaurants, all diese gewürzten Speisen bringen am Ende das Blut in Wallung und sind, was immer man auch sagen mag, nicht vergleichbar mit einem guten Pot-au-feu. Ich für mein Teil habe stets der bürgerlichen Küche den Vorzug gegeben: sie ist gesünder! Als ich in Rouen Pharmazeutik studierte, hatte ich darum auch in einer Pension Pension genommen; ich aß mit den Professoren.«
Und er fuhr fort, seine allgemeinen Ansichten und persönlichen Sympathien darzulegen, bis Justin ihn holen kam, denn er musste noch eine Eiermilch zubereiten.
»Keinen Augenblick hat man Ruhe!« rief er, »ständig angekettet! Nicht eine Minute kann ich aus dem Haus! Wie ein Ackergaul Blut und Wasser schwitzen! Dieses Joch!«
Dann, schon auf der Schwelle:
»Übrigens«, sagte er, »wissen Sie schon das Neueste?«
»Was denn?«
»Höchstwahrscheinlich«, erwiderte Homais, zog die Brauen hoch und machte ein ganz bedeutsames Gesicht, »kommt die
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