Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
eintragen, die sich während der Woche mit Alkohol vergiftet haben. Außerdem hätte man zugleich, unter statistischem Gesichtspunkt, verlässliche Annalen, die im Bedarfsfall … Entschuldigen Sie bitte.«
Und wieder lief er zum Hauptmann.
Dieser war auf dem Heimweg. Er wollte zu seiner Drechselbank.
»Vielleicht wären Sie nicht schlecht beraten«, sagte Homais, »einen Ihrer Männer loszuschicken oder selber zu gehen …«
»Lassen Sie mich doch in Ruhe«, erwiderte der Steuereinnehmer, »alles hat seine Ordnung!«
»Seien Sie ganz unbesorgt«, sagte der Pharmazeut, als er zurück war bei seinen Freunden, »Monsieur Binet hat mir versichert, dass alle Maßnahmen getroffen sind. Kein Funke ist herniedergefallen. Die Pumpen sind voll. Gehen wir zu Bett.«
»Meiner Seel! das tut mir not«, sagte Madame Homais, die mächtig gähnte; »gleichwohl, wir hatten für unser Fest einen wunderschönen Tag.«
Rodolphe wiederholte mit leiser Stimme und zärtlichem Blick:
»O ja, wunderschön!«
Und nach einem letzten Gruß kehrte man einander den Rücken.
Zwei Tage später stand im Fanal de Rouen ein großer Artikel über die Landwirtschaftsausstellung, Homais hatte ihn, geistsprühend, gleich am nächsten Morgen verfasst:
»Warum diese Blumen, diese Gewinde, diese Girlanden? Wohin strömte die Menge, gleich den Fluten eines tobenden Meers, unter den Wogen einer tropischen Sonne, die ihre Hitze ausgoss über unsere Flur?«
Anschließend sprach er von den Lebensverhältnissen der Bauern. Sicher, die Regierung unternahm viel, aber nicht genug! »Mut!« rief er ihr zu; »tausend Reformen sind vonnöten, lasst sie uns durchführen.« Dann kam er auf die Ankunft des Präfekturrats zu sprechen und vergaß weder »das martialische Aussehen unserer Bürgerwehr« noch »unsere temperamentvollen Dorfbewohnerinnen«, noch »die glatzköpfigen Greise, Patriarchen, die zugegen waren und deren einige, Überreste unserer unsterblichen Heerscharen, ihre Herzen abermals höher schlagen fühlten im männlichen Trommelwirbel«. Er nannte sich selbst als einen der ersten unter den Mitgliedern der Jury und erwähnte sogar in einer Anmerkung, Monsieur Homais, der Apotheker, habe der Landwirtschaftlichen Gesellschaft eine Abhandlung über den Cidre geschickt. Als er zur Preisverteilung kam, schilderte er die Freude der Ausgezeichneten in überschwenglichen Worten. »Der Vater küsste den Sohn, der Bruder den Bruder, der Gatte die Gattin. Mehr als einer zeigte voller Stolz die schlichte Medaille, und gewiss hat er sie, wieder zu Hause, bei seinem geliebten Weib, unter Tränen aufgehängt an der bescheidenen Wand seiner Hütte.
Gegen sechs Uhr versammelte ein auf der Weide von Monsieur Liégeard ausgerichtetes Bankett die maßgeblichen Teilnehmer des Festes. Ohne Unterlass herrschte dabei allergrößte Herzlichkeit. Zahlreiche Trinksprüche wurden ausgebracht: Monsieur Lieuvain, auf den Monarchen! Monsieur Tuvache, auf den Präfekten! Monsieur Derozerays, auf die Landwirtschaft! Monsieur Homais, auf die Industrie und auf die Schönen Künste, diese beiden Schwestern! Monsieur Leplichey, auf die Verbesserungen! Und am Abend erleuchtete plötzlich ein fulminantes Feuerwerk die Lüfte. Gewissermaßen ein richtiges Kaleidoskop, eine wahrhaftige Opernszenerie, und für einen Augenblick konnte sich unser kleiner Ort hineinversetzt fühlen in einen Traum aus Tausendundeiner Nacht .
Wir möchten noch festhalten, kein missliches Ereignis hat diesen Familientag getrübt.«
Und er schloss:
»Aufgefallen ist einzig und allein die Abwesenheit des Klerus. Gewiss verstehen die Sakristeien etwas anderes unter Fortschritt. Ganz wie es beliebt, ihr Jünger Loyolas!«
Anmerkungen
IX.
Sechs Wochen verstrichen. Rodolphe ließ sich nicht sehen. Eines Abends endlich kam er.
Am Tag nach der Landwirtschaftsausstellung hatte er sich gesagt:
»Besser nicht so schnell hingehen, das wäre ein Fehler.«
Und am Ende der Woche war er aufgebrochen zur Jagd. Nach der Jagd hatte er sich gedacht, nun sei es zu spät, dann zog er den Schluss:
»Wenn sie mich aber vom ersten Tag an geliebt hat, muss sie ungeduldig auf ein Wiedersehen warten und mich noch mehr lieben. Weiter so!«
Und ihm wurde klar, dass er richtig kalkuliert hatte, als er beim Betreten der großen Stube sah, wie Emma erbleichte.
Sie war allein. Der Tag neigte sich zum Ende. Die kleinen Musselinvorhänge an den Fenstern verstärkten die Dämmerung, und das goldglänzende Barometer, auf das ein
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