Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Kreuz der Ehrenlegion des Präfekturrats, verharrte sie reglos, wusste nicht, ob sie weitergehen sollte oder fortlaufen, noch warum die Menge sie nach vorne schob und warum die Preisrichter ihr zulächelten. So also stand vor diesen strahlenden Bürgern ein halbes Jahrhundert Knechtschaft.
»Treten Sie näher, ehrwürdige Catherine-Nicaise-Élisabeth Leroux!« sagte der Herr Präfekturrat, der aus den Händen des Vorsitzenden die Preisträgerliste entgegengenommen hatte.
Und abwechselnd das Blatt Papier und die alte Frau musternd, wiederholte er in väterlichem Ton:
»Treten Sie näher, treten Sie näher!«
»Sind Sie taub?« sagte Tuvache, von seinem Lehnstuhl aufspringend.
Und er begann ihr ins Ohr zu brüllen:
»Vierundfünfzig Jahre Dienst! Eine Silbermedaille! Fünfundzwanzig Franc! Für Sie.«
Als sie dann ihre Medaille hatte, starrte sie darauf. Ein seliges Lächeln breitete sich über ihr Antlitz, und man hörte sie im Weggehen murmeln:
»Die geb ich unserm Pfarrer, damit er Messen für mich liest.«
»So ein Fanatismus!« rief der Apotheker und beugte sich zum Notar.
Die Veranstaltung war zu Ende; die Menge zerstreute sich; und jetzt, da alle Reden gehalten waren, kehrte ein jeder zurück auf seinen Rang und die Dinge nahmen ihren gewohnten Lauf: die Herrschaft war grob zu den Dienstboten, und diese schlugen die Tiere, gleichgültige Triumphatoren, die heimtrotteten in den Stall, einen grünen Kranz zwischen den Hörnern.
Indes waren die Nationalgardisten in den ersten Stock des Rathauses hochgestiegen, auf ihre Bajonette hatten sie Brioches gespießt, und der Trommler des Bataillons trug einen Korb mit Flaschen. Madame Bovary nahm Rodolphes Arm; er geleitete sie nach Hause; sie trennten sich vor ihrer Tür; dann spazierte er allein über die Wiese, bis es Zeit war für das Bankett.
Das Festmahl war lang, laut, lieblos aufgetragen; man saß so dicht gedrängt, dass man kaum die Ellbogen rühren konnte, und die schmalen Bretter, die als Bänke dienten, brachen fast zusammen unter dem Gewicht der Gäste. Sie aßen reichlich. Jeder mühte sich für seinen Kostenbeitrag. Schweiß rann über alle Stirnen; und blassweißer Dunst, wie herbstliche Nebelschwaden frühmorgens auf einem Fluß, lag über dem Tisch, zwischen den hängenden Öllampen. Rodolphe lehnte mit dem Rücken an der Zeltplane und dachte so fest an Emma, dass er nichts hörte. Hinter ihm auf dem Gras stapelten Dienstboten schmutzige Teller; seine Nachbarn redeten, er gab keine Antwort; man füllte ihm das Glas, und es wurde still in seinen Gedanken, obwohl das Lärmen zunahm. Er grübelte über dem, was sie gesagt hatte, und die Form ihrer Lippen; ihr Gesicht schimmerte, wie in einem Zauberspiegel, auf den Abzeichen der Tschakos; die Falten ihres Kleides drapierten die Wände, und für die Zukunft entrollten sich vor ihm Tage der Liebe bis ins Unendliche.
Er sah sie wieder am Abend, beim Feuerwerk; doch sie kam mit ihrem Mann, Madame Homais und dem Apotheker, den ernste Sorgen plagten wegen der Gefahr durch verirrte Raketen; ständig verließ er die Gesellschaft und erteilte Binet Ratschläge.
Die pyrotechnischen Utensilien, an die Adresse des Herrn Tuvache geschickt, hatte man aus übertriebener Vorsicht in seinem Keller verschlossen; darum wollte sich das feuchte Pulver auch nicht entzünden, und das Hauptstück, ein Drache, der sich in den Schwanz beißt, ging vollkommen daneben. Hin und wieder zischte ein armseliger Leuchtsatz; dann johlte die gaffende Menge, während gleichzeitig Frauen kreischten, weil jemand sie im Dunkel zärtlich um die Taille fasste. Emma blieb stumm und schmiegte sich leicht an die Schulter von Charles; dann folgte sie mit erhobenem Kinn dem gleißenden Strahl der Raketen am schwarzen Himmel. Rodolphe betrachtete sie im Schein der brennenden Lampions.
Sie verloschen allmählich. Die Sterne entflammten. Ein paar Regentropfen fielen. Sie schlang sich ihr Fichu um den bloßen Kopf.
In diesem Augenblick rollte der Fiaker des Präfekturrats aus dem Gasthof. Sein Kutscher, der betrunken war, sackte plötzlich zusammen; und man sah noch in der Ferne, über das Verdeck hinweg, zwischen den Laternen, wie sein breiter Körper nach links und nach rechts pendelte, im Rhythmus der schaukelnden Hängeriemen.
»Wahrhaftig«, sagte der Pharmazeut, »man sollte mit aller Strenge gegen die Trunkenheit vorgehen! Ich wünschte, man würde wöchentlich an der Rathaustür in ein Register ad hoc die Namen all derjenigen
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