Madame Bovary
Sie log zu ihrem Vergnügen. Wenn sie erzählte, daß
sie auf der rechten Seite der Straße gegangen sei, konnte man
wetten, daß es auf der linken gewesen war.
Eines Donnerstags war sie früh, wie gewöhnlich ziemlich leicht
gekleidet, abgefahren, als es plötzlich zu schneien begann. Karl
hielt am Fenster Umschau, da bemerkte er Bournisien in der Kutsche
des Bürgermeisters. Sie fuhren zusammen nach Rouen. Er ging
hinunter und vertraute dem Priester einen dicken Schal an mit der
Bitte, ihn seiner Frau einzuhändigen, sobald er im »Roten Kreuz«
angekommen sei. Bournisien fragte im Gasthofe sogleich nach Frau
Bovary, erhielt aber von der Wirtin die Antwort, daß sie das »Rote
Kreuz« sehr selten aufsuche. Abends traf er sie in der Postkutsche
und erzählte ihr von seinem Mißerfolge, dem er übrigens keine sonderliche Bedeutung
beizumessen schien, denn er begann alsbald eine Lobrede auf einen
jungen geistlichen, der in der Kathedrale so wunderbar predige, daß
die Frauen in Scharen hingingen.
Wenn sich auch Bournisien ohne weiteres zufrieden gegeben hatte,
so konnte doch ein andermal irgendwer nicht so diskret sein. Und so
hielt es Emma für besser, fortan im »Roten Kreuz« abzusteigen,
damit die guten Leute aus Yonville sie hin und wieder auf der
Treppe des Gasthofes sahen und nichts argwöhnten.
Eines Tages traf sie Lheureux, gerade als sie an Leos Arm den
Boulogner Hof verließ. Sie fürchtete, er könne schwatzen; aber er
war nicht so töricht. Dafür trat er drei Tage später in ihr Zimmer
und erklärte, daß er Geld brauche.
Sie erwiderte ihm, sie könne ihm nichts geben. Lheureux fing zu
jammern an und zählte alle Dienste auf, die er ihr erwiesen.
In der Tat hatte Emma nur einen der von Karl ausgestellten
Wechsel bezahlt, den zweiten hatte Lheureux auf ihre Bitte hin
verlängert und dann abermals prolongiert. Jetzt zog er aus seiner
Tasche eine Anzahl unbezahlter Rechnungen für die Stores, den
Teppich, für Möbelstoff, mehrere Kleider und verschiedene
Toilettenstücke, im Gesamtbetrag von ungefähr zweitausend
Franken.
Sie ließ den Kopf hängen, und er fuhr fort:
»Aber wenn Sie kein Geld haben, so haben Sie doch
Immobilien.«
Und nun machte er sie auf ein halbverfallenes altes Haus in
Barneville aufmerksam, das sie mit geerbt hatten. Es brachte nicht
viel ein. Es hatte ursprünglich zu einem kleinen Pachtgute gehört,
das der alte Bovary vor Jahren verkauft hatte. Lheureux wußte genau Bescheid über das Grundstück; er kannte
sogar die Anzahl der Hektare und die Namen der Nachbarn.
»An Ihrer Stelle«, sagte er, »versuchte ich, es loszuwerden. Sie
bekämen dann sogar noch bar Geld heraus!«
Sie entgegnete, es sei schwer, einen Käufer zu finden, aber
Lheureux meinte, das ließe sich schon machen. Da fragte sie, was
sie tun müsse, um das Haus zu verkaufen.
»Sie haben doch die Vollmacht«, antwortete er.
Dieses Wort belebte sie.
»Lassen Sie mir die Rechnung hier!« sagte sie.
»O, das eilt ja nicht!« erwiderte Lheureux.
In der kommenden Woche stellte er sich wiederum ein und
berichtete, es sei ihm mit vieler Mühe gelungen, einen gewissen
Langlois ausfindig zu machen, der schon lange ein Auge auf das
Grundstück geworfen habe und wissen möchte, was es koste.
»Der Preis ist mir gleichgültig!« rief Emma aus.
Lheureux erklärte, man müsse den Käufer eine Weile zappeln
lassen. Die Sache sei aber schon eine Reise dahin wert. Da sie
selbst nicht gut verreisen könne, bot er sich dazu an, um das
Geschäft mit Langlois zu besprechen. Er kam mit der Mitteilung
zurück, der Käufer habe viertausend Franken geboten.
Emma war hocherfreut.
»Offen gestanden,« fügte der Händler hinzu, »das ist anständig
bezahlt!«
Die erste Hälfte der Summe zählte er ihr sofort auf. Als Emma
sagte, damit solle ihre Rechnung beglichen werden, meinte
Lheureux:
»Auf Ehre, es ist doch schade, daß Sie ein so schönes Sümmchen
gleich wieder aus der Hand geben wollen!«
Sie sah auf die Banknoten und dachte an die unbegrenzte Zahl der
Stelldichein, die ihr diese zweitausend Franken bedeuteten.
»Wie? Wie meinen Sie?« stammelte sie.
»O,« erwiderte er mit gutmütigem Lächeln, »man kann ja was ganz
Beliebiges auf die Rechnung setzen. Ich weiß ja, wie das in einem
Haushalte so ist.«
Er sah sie scharf an, während er die beiden
Tausendfrankenscheine langsam durch die Finger hin und her gleiten
ließ. Endlich machte er seine Brieftasche auf und legte vier
vorbereitete Wechsel zu je tausend
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