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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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Polizisten schienen den Sieg davonzutragen, denn die Männer machten kehrt, aber schon eine Minute später koppelten sie die Güterwaggons ab, füllten Eimer und schnappten sich Seifenstücke: Die Veteranen seiften die Gleise ein. Der Gouverneur, der ihnen von einem höher gelegenen Fenster aus zusah, schickte die Nationalgarde los.
    Stiefelgetrampel auf Asphalt, Rufe, Schreie, schrille Trillerpfeifen, geübte Gesetzeshüter trafen auf halb verhungerten Pöbel, man musste die unterernährten Gestalten nur anstupsen, schon fielen sie um. Ben, schneller und gelenkiger, wich den Soldaten aus. Um ihn herum zischten Schlagstöcke durch die Luft, floss Blut.
    Die Einwohner der Stadt bereiteten der Sache schließlich ein Ende, normale, gesetzestreue Bürger, die sich mit erhobener Stimme Gehör verschafften; Frauen, die die Nationalgardisten anbrüllten, sie sollten die Veteranen in Ruhe lassen; ältere Männer in Anzügen, die an die Tür des Gouverneurs hämmerten, sodass der rasch seine Meinung änderte, die Männer mit den Stiefeln und den Schlagstöcken zurückrief und staatseigene Laster kommen ließ, die die Marschteilnehmer einladen und wegbringen sollten: »Weg von hier. Aus der Stadt raus.« Wenigstens aus Illinois raus. Sollte sich doch ein anderer mit denen herumschlagen. Die voll beladenen Laster rumpelten zur Staatsgrenze. Während sie ihren mühseligen Weg fortsetzten, wurde Ben langsam bewusst, dass er zwar mit den anderen zusammen war, aber nicht zu ihnen gehörte, so wie es bei Charlie der Fall gewesen wäre. Durch einen Krieg voneinander getrennt, eben doch kein Veteran. Die Männer bildeten wieder einen Truppenkörper, Kameraden, die sich als Masse im Gleichschritt fortbewegten und die Gedanken der anderen zu kennen schienen. Als sie Mississippi erreichten, empfingen die Polizisten sie mit einem Grinsen im Gesicht. Einige von ihnen hatten auch gedient. Waren auch Veteranen.
    »Könnt ihr fahren, Männer?«
    Ben hob die Hand: »Ich bin Fahrer. Ich fahre einen Laster.« Andere meldeten sich, Männer, die fahren konnten, solange sie Arbeit und einen fahrbaren Untersatz hatten.
    Unweit der Bahnstation machte die Straße eine Biegung und führte an einem von Maschendraht umzäunten Grundstück vorbei, das Tor mit einem Vorhängeschloss gesichert. Hinter dem Zaun ein Friedhof von Elefanten aus Metall, ein Bild der Trostlosigkeit: riesige Stahlleiber, einer neben dem anderen aufgereiht, prächtige Automobile, verstaubt, verlassen und, wie es aussah, unerwünscht. Offizielle Diebesbeute: die schönen konfiszierten Autos eingelochter Schnapsschmuggler.
    »Okay, Männer, bis zur Staatsgrenze gehören die alle euch.«
    Die Polizisten machten die Tore weit auf, und die Veteranen strömten zu den Packards, Buicks, Chryslers und Caddies und verließen die Stadt. Die Bonus-Armee jubelte, intonierte Sprechchöre, trunken vor Macht, wenigstens für kurze Zeit, wenigstens einen Teil der Strecke lief es mal glatt. Ben fand sich hinter dem Lenkrad eines Pierce Arrow wieder – welch ein Luxus. Er spürte, wie der Motor auf den sanften Druck seines Fußes reagierte: Das nannte man Klasse, beste Rennpferd-Qualität, das war das Kentucky Derby, mindestens Triple Crown, die Ledersitze so glatt wie die Schenkel einer Frau, die Federung butterweich. Schnapsschmuggler lebten stilvoll, schmuggelten Scotch aus London ins Land, verkauften ihn weiter, betrieben illegale Brauereien, eine eigene Frachtschifflinie, alles, um ihre Kunden bei Laune zu halten. Mittlerweile war der Besitzer dieser Schönheit wahrscheinlich wegen irgendeines Formfehlers schon wieder auf freiem Fuß und fuhr ein anderes Rassegefährt.
    Ben schaltete, nahm den Fuß von der Kupplung und ließ sich von der Bewegung mittragen, gab dem weichen, leichten Schub nach vorne nach. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte laut, strich mit den Händen über das Lenkrad. Dem Automobil gehörte die Zukunft, oder? Das hatte er schon immer gewusst. Die elegante Silhouette des Wagens, der tiefe Glanz des Lacks waren selbst in dem Staub zu erkennen, der wie von einem Sturm aufgewirbelt wurde … Die mit ihm in den Wagen gezwängten Männer jubelten, schlugen Ben auf die Schulter, brachten ihn zum Mitsingen. Die Barriere bröckelte. Washington, wir kommen! Er wünschte, dass Nance und Joey ihn jetzt sehen könnten, wie er aufs Gas trat und das Auto loszischte.

Kapitel 19
    NANCY LAG WIE eine Rekonvaleszentin auf der winzigen Veranda ihrer Mutter i m Schatten und verfolgte die

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