Madame Fabienne
möglich, etwas Neues aus der Fabrik zu erfahren; vielleicht hatte sich Bikem Taschkan nach ihm erkundigt. Inzwischen musste dem Sicherheitsdienst doch auch klar sein, dass bei der Sache etwas schief gelaufen war.
Und die beiden Toten? Wusste man in der Fabrik auch schon von denen? Nein, nein, das ging ja gar nicht, oder etwa doch? Wichtig war erst mal, dass er hier verschwinden würde.
Er ließ den Motor an und wollte auch gleich ausparken, doch ein roter Golf war auf einmal da und musste bremsen. Die Frau hinterm Lenkrad hupte mehrfach, und als sie dann an ihm vorbeifuhr, zeigte sie ihm den Vogel. Wie konnte er nur diesen Wagen übersehen? Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und fädelte sich nun in den Verkehr ein. Hoffentlich wurde er nicht beschattet.
*
Fabienne saß auf dem Beifahrersitz und schob sich die Sonnenbrille auf die Nase. Vielleicht könnte Hasan sie so nicht gleich erkennen, falls er plötzlich auftauchen würde. Schlecht war auch, dass er gesehen hatte, wie sie und Véronique in dem silbergrauen Mercedes geflohen waren. Also konnte man wohl davon ausgehen, dass er nach einem solchen Wagen Ausschau hielt; aber vielleicht hatte er nur wenige Helfer und könnte sie deshalb nicht aufspüren. Auf alle Fälle hatte er noch diesen stämmigen Typen, der ihm half. Diesen Achmet. Es waren also mindestens zwei, die nach ihr suchten.
Sie wandte sich an Véronique, "Ist es noch weit?"
"Wir sind gleich da. Wir gehen besser das letzte Stück zu Fuß, damit niemand unser Auto sieht." Sie hielt den Mercedes am Straßenrand und schaltete den Motor ab. In der Nähe standen einige Wohnblocks, zwischen denen es noch unbebaute Fläche gab. Man sah ein griechisches Restaurant und noch ein paar Läden, darunter eine Apotheke. Manchmal fuhr ein Auto an ihnen vorbei, aber Passanten waren keine unterwegs. Véronique zeigte auf ein Hochhaus, das ein Stück weit entfernt war. "Dort ist das Apartment."
"Gut", Fabienne drehte sich auf dem Beifahrersitz nach hinten und sah durch die Heckscheibe. Ein Stück weiter standen kahle Bäume, darunter auch Säulenpappeln, die auffielen, weil sie am weitesten in den Himmel ragten. Die Sonne schien, und es gab ein gutes Tageslicht. Fabienne zeigte in diese Richtung, "Was ist denn hinter den Bäumen?"
"Dort?" Véronique drehte sich nun auch ein Stück um, "Ein Badeweiher, die Melm."
"Melm?"
"So heißt es."
Fabienne zeigte nun auf das Hochhaus in der Ferne, "In welchem Stockwerk ist unser Apartment?"
"Im vierten... Es ist nicht möbliert. Es gibt eine Kochnische, und das ist alles "
"Okay, dann schauen wir's uns doch mal an."
Sie stiegen aus und schlenderten an der Apotheke vorbei, dabei warfen sie in der Wintersonne lange Schatten auf den Gehsteig. Ein Mann kam ihnen entgegen und starrte sie an, aber sie ließen sich nichts anmerken und gingen weiter auf das Hochhaus zu. Es hatte eine Flachdach und eine graue Fassade. Direkt vor dem Gebäude befand sich ein Parkplatz, der offenbar ausschließlich von den Anwohnern benutzt wurde. Es gab auch ein paar Garagen, die aber alle geschlossen waren.
Als sie auf den Eingang zugingen, konnte Fabienne sich auf der Glastür sehen. Je näher sie kamen, um so schärfer wurde ihr Spiegelbild. Sie trug wieder das graue Hosenkostüm, dazu eine Bluse, bei der die oberen Knöpfe offen standen. An ihrem Hals glänzte etwas: Es war das Goldkettchen, das sie trug.
Die Tür war nicht abgeschlossen, und sie betraten das Hochhaus. Gleich danach kam eine lange Reihe von Briefkästen, aus einigen quoll Werbung hervor. Ein Stück weiter gab es einen Fahrstuhl, aber sie entschieden sich, das Treppenhaus zu benutzen.
Eigentlich sollten sie aus der Stadt verschwinden, aber sie brauchten auch das Geld, das ihnen die Fabrik zugesagt hatte. Wo war bloß Jean Claude? Sie hatten inzwischen schon x-mal bei ihm angerufen, aber er meldete sich nicht mehr. Ob er zu den Sheriffs gegangen war? Aber dann wäre er selbst unter Druck geraten... Nein, wahrscheinlich war also etwas anderes passiert.
Sie wandte sich an Véronique: "Und du sagst, der alte Gaston ist in der Stadt?"
"Ich habe es so gehört."
"Das ist schon ein sonderbarer Zufall, nicht wahr?"
Auf Véroniques Gesicht zeigte sich eine finstere Miene, aber sie sagte nichts.
Wahrscheinlich war es gar kein Zufall. Ob Gaston Roque-Maurel noch ihr Freund war? Beinah hätte sie gelacht. Der Mann war so kalt, ob er überhaupt so etwas wie Freundschaft empfinden konnte. Aber trotzdem, bisher konnten sie
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