Madame Fabienne
befand?
Eher nicht. Wahrscheinlich ging ihm bloß die Fantasie durch. Wie heiß seine Stirn auf einmal war, ob es hier etwas zu trinken gab?
Er ging zum Fenster und sah nach draußen in den Garten: Die Bäume waren noch kahl, und man hatte den Eindruck, ihre Zweige wären Fingern, die nach einem greifen wollten. Weiter hinten gab es einen trockenen Brunnen, der zum Teil mit Laub bedeckt war. Hier und da standen diese Flussnymphen, Skulpturen aus weißgrauem Marmor; ob auch sie auf den Sommer warteten? Was für seltsame Ideen ihm doch kamen.
Am Himmel zogen wieder dunkle Wolken, und wenn er sich jetzt recht erinnerte, dann war auch noch mehr Regen gemeldet worden— wie ihm das alles auf die Nerven ging. Hoffentlich würden Fabienne und Véronique noch in der Stadt bleiben; wenn nicht, sähe es schlecht aus für ihn, dann hätte er diese Frau nämlich verloren. Wie er doch tief drinnen brannte, das überraschte ihn jetzt selbst.
War er eigentlich krank?
13
Fabienne setzte sich auf den Stuhl vorm Schminktisch und betrachtete im Spiegel, wie Véronique das Dossier las. Aber was dort drin stand, war nur ganz dürftig. Wahrscheinlich hatte man den Text in Eile getippt, so las es sich zumindest. Sie müssten aus dieser Stadt verschwinden, je eher, umso besser; hier war es nämlich nicht mehr sicher genug für sie.
Sie ging nun durchs Schlafzimmer und machte die Tür einen Spalt weit auf: Im Haus blieb alles ruhig, und man hörte, wie draußen der Regen fiel; Jean Claude war wohl immer noch unten im Salon. Gut, er brauchte nämlich auch nicht zu hören, was sie hier besprachen. Sie schloss die Tür wieder, hastete zu einem der Fenster und lugte hinterm Vorhang nach draußen: Graue Wolken zogen über der Stadt, und manchmal frischte der Wind auf und blies durch die Platanen auf der Schwanthaler Allee.
Sie wandte sich an Véronique, "Wir müssen abhauen."
Véronique las weiter und gab ihr ein Handzeichen, sie brauche noch einen Moment.
Neben dem Bett stand ihr aufgeklappter Reisekoffer: Sie waren schon fast weg gewesen, es hatte nur noch das Geld gefehlt. Irgendwie hatte sie es ja geahnt, dass etwas schief laufen würde. Schon als sie Vacaro in Strasbourg begegnet war, hatte sie ein schlechtes Gefühl gehabt. Der Mann würde sie nicht bezahlen. Sie hatten ihren Auftrag zwar ausgeführt, aber nun sollte es nicht die richtige Zielperson gewesen sein.
Sie setzte sich wieder auf den Stuhl beim Schminktisch und konnte sich in dem großen Spiegel sehen: Das Braun ihrer Augen sah wässriger aus als sonst, ein schlechtes Zeichen; und im Gesicht war sie ein wenig zu blass, wahrscheinlich kam das davon, dass sie wütend und frustriert war. Aber so könnte sie nichts entscheiden, dafür brauchte sie doch einen kühlen Kopf.
"Wir müssen aus der Stadt verschwinden."
Véronique warf die drei Seiten aufs gemachte Bett, "Das Dossier ist ziemlich dürftig."
"Wir müssen hier weg, hörst du?!"
"Ohne das Geld? Wie soll das denn gehen?"
Fabienne ballte eine Hand zu Faust, "Beinah hätte es geklappt."
"Jetzt beruhig dich."
"Die spielen mit uns."
Véronique strich sich eine rote Strähne über die Schulter, "Das könnte schon sein, aber ich glaube es nicht."
"Du glaubst es nicht?!" Ihre Stimme wurde lauter, obwohl sie das gar nicht wollte: "Wir haben den Auftrag erfüllt. Wenn die anderen Mist bauen, ist das nicht unsere Schuld."
"Da hast du natürlich Recht, aber dieser Vacaro wird uns trotzdem nicht auszahlen."
"Wir können nicht in dieser Stadt bleiben, Didier ist hinter uns her."
Véronique zeigte auf sie, "Das weißt du nicht. Ich meine, ich habe nur jemand gesehen, der Didier sein könnte."
"Ach, hör doch auf. Er ist hinter uns her, und wenn es für ihn keine fremde Stadt wäre, dann hätte er uns wahrscheinlich schon gefunden."
"Das ist Spekulation."
"Spekulation?!" Sie musste lachen, es klang schroff. Sie drehte sich um und konnte sich im Spiegel sehen. Es wäre gut, wenn sie jetzt ein bisschen Ruhe hätte, sonst könnte sie nicht mehr klar denken. Véronique sammelte die Seiten vom Bett auf, ohne sie dabei weiter zu beachten—offenbar war das Gespräch erst mal beendet.
Es war auch erst mal genug.
Sie verschwand ins Bad und schloss die Tür hinter sich ab. Der Raum war mit hellen Fliesen ausgelegt und war offenbar erst vor Kurzem geputzt worden, denn die Armaturen glänzten. Es gab nur ein trübes Tageslicht, das durch die eine Scheibe fiel. Fabienne faltete ein Handtuch und setzte sich darauf. Es war
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