Madame Fabienne
angenehm still, man hörte nur noch, wie draußen der Regen fiel.
Sie schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf ihren Atem. Es war jetzt erst mal nötig, dass sie zur Ruhe kam, dann könnte sie auch wieder besser denken. Sie konnte doch spüren, dass dieser Didier sie verfolgte. Und wen hatte er wohl noch bei sich? Vielleicht war er nicht allein.
Außerdem gab es noch diesen vermurksten Auftrag. Nun war auf einmal Sibel die Zielperson, aber Hasan kannte sie schon und könnte ihnen das Leben auch noch schwer machen. Das hörte sich eigentlich alles negativ an.
Wenn sie jetzt einfach nach Frankreich zurückgingen, dann hätten sie zwar noch erspartes Geld, aber das würde nicht ewig reichen. Ihr Leben war an einer Kreuzung angelangt, hier in Lu am Rhein; so wie bisher könnte es nicht weitergehen, einen Auftrag nach dem anderen erledigen und dann von einer zur nächsten Stadt weiterziehen.
Sie brauchten also das Geld, um neu anzufangen, da hatte Véronique leider recht. Ob dieser Vacaro sie auszahlen würde, wenn sie diese Sibel manipulierte?
Der Mann war gerissen, sonst wäre er auch gar nicht in seine Position gekommen. Und wahrscheinlich wussten die Leute aus der Fabrik inzwischen auch, dass sie nicht allein war. Vacaro hatte bestimmt die Villa beobachten lassen; auch wenn er wohl nicht genug Personal hatte, sie rund um die Uhr zu observieren, so hatte er doch bestimmt hin und wieder einige seiner Leute geschickt.
Man wusste also von Véronique. Je länger sie in dieser Stadt blieben, desto schlechter wurden ihre Chancen.
Sie lauschte ihrem Atem und versuchte, an nichts zu denken. Jetzt war sie wieder ruhiger und fühlte sich besser. Es blieb wohl nichts anderes übrig, als die Sache doch noch mal anzupacken. Vacaro müsste allerdings einen Teil ihrer Gage im Voraus bezahlen, als Zeichen seines guten Willens.
Das war absolut notwendig.
Sie öffnete ganz langsam die Augen und ging zurück ins Schlafzimmer. Véronique war nicht mehr hier, allerdings lagen die drei Seiten Dossier noch auf dem Bett. Sie stellte sich vor den Spiegel und fing an, sich die Haare zu kämmen. Es tat ihr gut, aber schon bald hielt sie inne und betrachtete sich: Jetzt wollte sie erst mal andere Farben tragen. Sie schlüpfte in eine bunte Bluse und ließ sie auf die Hose hängen; darüber zog sie einen breiten Gürtel an und schließlich noch einen Blazer aus schwarzem Kunstleder. Außerdem hängte sie sich eine lange Kette aus Bernstein um den Hals. Jetzt war sie so weit. "Véronique?!"
Nichts geschah.
Sie fing an zu rufen, "Véronique?!"
Man hörte Schritte, und im nächsten Moment erschien Véronique auf der Türschwelle, "Was ist denn?"
"Wir bleiben da, du hast gewonnen."
Sie fing an zu grinsen, "Wir können das schaffen."
"Wir brauchen das Geld."
Véronique schloss die Tür hinter sich und kam ein Stück auf sie zu: "Das hab ich dir ja gesagt."
"Wahrscheinlich..." Fabiennes Stimme wurde leiser, "Wenn wir das hier schaffen, dann kann es wohl nicht wie bisher weitergehen."
"W-was heißt das?"
Sie zuckte mit den Achseln, "Wir werden uns erst mal ne Zeit lang zurückziehen und nachdenken. Mal sehen."
Einen Moment sprach niemand, und man hörte, wie draußen der Regen fiel. Véronique strich sich eine rote Strähne über die Schulter, "Naja, Geld haben wir dann ja."
"Hoffentlich." Fabienne machte sich noch ein bisschen Parfum auf Hände und Unterarme. "Wir haben noch diesen zweiten Unterschlupf, nicht wahr?"
"Der Bungalow in Oppau."
"Davon darf Jean Claude nichts erfahren." Sie zeigte auf Véronique, "Verstanden?!"
"Von mir aus."
"Und such noch was, ein Apartment in der Nähe von diesem Bungalow."
"Meinst du, das ist nötig?"
Sie warf ihr einen strengen Blick zu.
"Also gut."
"Wir reden jetzt mit Jean Claude. Die Fabrik soll einen Teil unsere Gage auszahlen."
"Das wäre prima."
"Wenn nicht", sie gab Acht, dass ihr Stimme sachlich blieb. "Dann müssen wir doch verschwinden."
Für einen Moment schauten sie sich an, dann wandte sich Véronique ab und ging die Treppe nach unten. Fabienne folgte ihr und konnte sie so von hinten sehen: Sie trug wieder Turnschuhe und diesen hellgrünen Trainingsanzug, ihre roten Haare reichten ihr bis zu den Oberarmen.
Sie beide hatten schon einiges durchgestanden, aber dieser Auftrag wurde immer gefährlicher für sie: Didier war hinter ihnen her, und Hasans Schwester ahnte vielleicht, dass man ihren Bruder manipuliert hatte; dann wäre sie noch vorsichtiger, und sie könnten
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