Madame Fabienne
vielleicht gar nicht an sie rankommen.
*
Jean Claude ging in die Küche und schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein. Was die beiden Frauen jetzt wohl besprachen? Bestimmt redeten sie auch über ihn, und er sollte das nicht hören— ob sie etwas gegen ihn planten? Wenn er sich ein Stück weit die Treppe nach oben schlich, wäre es vielleicht möglich, die beiden zu belauschen. Aber wahrscheinlich könnte man ihn dann auch sehen.
Er trank das Glas leer und wischte sich dann mit dem Handrücken über den Mund. Durch die Fenster konnte er in den Garten schauen: Die Bäume waren noch kahl, und graue Wolken hingen über der Stadt. Es regnete immer noch, und doch kam es ihm ungewöhnlich mild vor. Ein Stück weit entfernt gab es einen trockene Brunnen und Flussnymphen aus weißgrauem Marmor. Jetzt entstand der Eindruck, die Skulpturen wären lebendig und warteten nur auf das Stichwort, um sich aus ihrer starren Haltung zu lösen.
Er trat einen Schritt näher an die Scheibe heran, damit er sich die überdachte Terrasse betrachten konnte. Dort stand ein Tisch mit Mosaik-Platte und zwei Stühle aus schwarzem Metall. Im Sommer müsste es hier schön sein.
Es wäre bestimmt super, wenn er und Fabienne in so einem Haus leben könnten. Jetzt ging ihm leider die Fantasie durch, er müsste sachlich bleiben. Man hörte nun Schritte im Treppenhaus, offenbar kam jemand nach unten.
Jean Claude hastete nach nebenan und saß schon wieder auf der langen Ledercouch, als die beiden Frauen den Salon betraten. Fabienne hatte nun eine bunte Bluse an, die er zuvor noch nie an ihr gesehen hatte. Außerdem trug sie eine Kette aus Bernstein, die ihr fast bis zum Gürtel reichte.
Die beiden Frauen setzen sich in die Ledersessel, die am nächsten am Couchtisch standen. Warum schwiegen sie denn? An ihren Gesichtern konnte er sehen, dass etwas nicht stimmte. Wahrscheinlich gab es also gleich eine schlechte Nachricht für ihn. "Und?" Er musste sich räuspern, "Wie geht es jetzt weiter?"
Fabienne schlug ein Bein übers andere und wandte sich ihm zu: "Wir wollen unser Geld haben."
"Geld?" Er lachte ein bisschen, es klang gekünstelt. "Wer will das nicht?"
Sie sah ihn scharf an, ohne etwas zu sagen. Man hörte immer noch, wie draußen der Regen gegen die Scheiben fiel. Fabienne lehnte sich im Sessel zurück, und als sie wieder sprach, blieb in ihrem Gesicht alles starr: "Die Fabrik spielt nicht nach den Regeln."
Was sollte das denn heißen?
"Wir haben unseren Auftrag erfüllt."
"Ich bin nur der Bote."
Véronique sah ihn an, "So kannst du dich nicht rausreden, so einfach ist das nicht. Wir möchten, dass du in der Fabrik anrufst und verhandelst."
"Bitte?"
"Und zwar jetzt. Wir wollen hören, was gesprochen wird. Also stell das Handy laut, ja?! Sag Herrn Vacaro, dass die Fabrik einen Fehler gemacht hat, nicht wir. Wir wollen Geld sehen, und wir brauchen ein besseres Dossier, wenn wir an diese Sibel rankommen sollen."
Mit Vacaro wollte er gar nicht sprechen, der Mann machte ihm doch Angst. "Warum ruft ihr denn nicht an?"
Die beiden schwiegen.
Er sollte das also wirklich machen. Wie er auf einmal schwitzte. Hatten die beiden einen Trumpf im Ärmel, den er nicht kannte? War da etwas vor ihm verborgen? Irgendwie hatte er auf einmal das Gefühl, er sollte wirklich in der Fabrik anrufen. Er stand auf und holte das Handy aus seinem Jackett hervor. "Also gut." Er würde Bikem Taschkan anrufen und könnte es vielleicht mit ihr aushandeln, dann müsste er nicht mit Vacaro selbst sprechen.
Er tippte die Nummer ins Handy und ging dabei auf und ab: Durch die Gardinen konnte man noch die Terrasse und den Garten sehen. Wie ihn dieser Regen fertig machte, ekelhaft. Er wandte sich den beiden Frauen zu, aber ihre Gesichter waren ganz starr, und sie beobachteten ihn— das hieß nichts Gutes.
Er mied ihre Blicke und drückte den Knopf für den Lautsprecher, damit die beiden auch hören konnte, was geredet wurde. Nach dem dritten oder vierten Klingeln meldete sich Bikem Taschkan. Er wollte, dass seine Stimme wie sonst auch klang, aber es misslang ihm. Man konnte hören, dass er angespannt war. "Ja, hier ist Jean Claude Lang. Ich habe den Umschlag abgeliefert, so wie es geheißen hat."
"Und?"
"Es gibt hier ein Problem." Und was für eins. "Man möchte verhandeln."
"Verhandeln?"
"Ein besseres Dossier sei notwendig, heißt es. Und es fehlt auch Geld."
Sie zögerte, und als sie wieder sprach, schlich sich ein scharfer Unterton in ihre Stimme: "An dem
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