Madame Fabienne
Geländer. Es gab bloß ein trübes Licht, weil nur wenige der Wandleuchten eingeschaltet waren. Da waren Schritte im Erdgeschoss, und nun erschien auch schon Véronique: Ihre schlanke Gestalt warf einen Schatten, der größer war als sie selbst. Sie blieb stehen und knöpfte ihren Blazer auf, darunter kam eine weiße Bluse zum Vorschein.
Für einen Moment kreuzten sich ihre Blicke, und Véronique fing an zu grinsen. Sie nahm ihre Schirmmütze ab und strich sich mit einer Hand durch die roten Haare, die ihr bis zu den Oberarmen reichten. "Warum machst du denn nicht mehr Licht an?"
"Ich bin noch nicht dazu gekommen."
"Wie ist es denn gelaufen?"
Fabienne ging nach unten ins Erdgeschoss und ließ dabei eine Hand übers Geländer gleiten. "Hast du ihn gesehen?"
"Er ist kaffeebraun und sieht gut aus. Der hat Muskeln."
Jetzt musste auch Fabienne grinsen: An was Véronique gleich wieder dachte. "Er hat Muskeln, aber wir müssen vorsichtig sein, das hier ist unbekanntes Gebiet."
"Ach was, du übertreibst doch."
"Nein, nein." Fabienne wies mit dem Kopf auf die offene Tür, "Lass uns hier reingehen."
"Wie gefällt es dir?"
Sie gingen in den Salon, und Fabienne setzte sich in einen der schwarzen Ledersessel, "Ganz gut."
"Ganz gut?" Véronique ließ sich auf die lange Couch fallen, "Das Haus ist super. Ich hab's ja auch ausgesucht."
"Hast du die Zimmer geprüft?"
"Mit diesem Gerät."
Hoffentlich funktionierte das Ding auch.
"Und woher sollte die Fabrik auch die Adresse wissen. Nein, nein. Hier ist es sicher."
"Aber sie werden das Haus bald finden. Jean Claude wird es ihnen doch sagen."
Véronique setzte sich aufrecht hin, "Er heißt also Jean Claude."
"Jean Claude Lang, um genau zu sein."
"Bestimmt macht er regelmäßig Sport. Er sieht fit aus. Kann er Französisch?"
"Wahrscheinlich. Warum sollten sie ihn auch sonst schicken?!" Wie still es nun in der Villa war. Das letzte Tageslicht fiel noch durch die Gardinen, und einige der Möbelstücke warfen einen Schatten auf den Fußboden. Fabienne atmete hörbar aus, "Er wird heute noch mal kommen. Ich hab ihm gesagt, er soll die Details zum Auftrag mitbringen."
"Er wusste das gar nicht?"
"Ich glaube, er hat in der Fabrik nichts zu melden."
"Meinst du wirklich?"
Fabienne schlug ein Bein übers andere, "Er ist wahrscheinlich nur ein Bote. Dieser Vacaro ist der Chef, und der ist gerissen."
"Wir werden mit ihm fertig." Véronique ging nun durch den Perlenvorhang nach nebenan in die Küche, und man hörte, wie sie dort ein paar Schränke öffnete.
"Was machst du denn?"
Es gab keine Antwort.
"Hast du ein zweites Haus ausgesucht?"
Véronique kam zurück in den Salon und hatte ein hohes Glas mit Mineralwasser in der Hand, "Ich habe was gefunden, einen Bungalow in Oppau. Ich musste allerdings gleich drei Monate Miete zahlen, anders ging's nicht. Aber damit ist das Finanzielle erst mal geregelt. Das Grundstück liegt in einer Seitenstraße, wo es nur wenig Verkehr gibt. Wahrscheinlich sind wir dort ungestört."
"Das hört sich gut an." Fabienne schlug das andere Bein über, ihre Stiefeletten glänzten noch im schwachen Licht. "Oppau, ist das weit?"
"Zu Fuß ja." Véronique setzte sich wieder und trank von dem Wasser. Die gelockten Haare reichten ihr fast bis zu den Ellbogen. "Aber wir haben ja ein Auto."
"Wir müssen vorsichtig sein."
"Wie sieht es mit dem Vorschuss aus?"
Sie zuckte mit den Achseln, "Jean Claude soll das Geld bringen."
"Jean Claude, Jean Claude."
"Jaja", sie zeigte auf Véronique, "Ich möchte, dass du noch einen weiteren Unterschlupf organisierst."
"Ist das nicht übertrieben?"
"Nein, ist es nicht."
"Dazu brauchen wir mehr Geld."
Sie nickte, "Jean Claude soll es ja bringen. Und ich möchte, dass du im Hintergrund bleibst. Die Fabrik braucht nicht zu wissen, dass es dich gibt."
"Vielleicht wissen sie es eh schon."
Spielte sie jetzt auf etwas an? Fabienne ging zur Fensterfront und sah nach draußen in den Garten, wo der Tag allmählich erlosch. Um sie herum war alles schon schwarz, doch der Himmel hatte noch eine blaue Farbe, und am Horizont zeigte sich ein blassroter Streifen.
Sie drehte sich wieder um zu Véronique, "Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt gehst. Er braucht dich nicht zu sehen."
Véronique nahm noch ein Schluck vom Mineralwasser und stellte dann das noch halb volle Glas auf den Couchtisch, "Du willst den Typ nur für dich allein haben." Sie grinste, und ihre Stimme bekam nun einen heiteren Unterton. "Gib es doch
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