Madame Fabienne
wenigstens zu."
"Jetzt bleib mal einen Moment ernst, ja?!"
"Also gut", Véronique verzog das Gesicht. "Ich bleibe im Hintergrund und schaue, was ihr beiden so macht."
"Das ist ne gute Idee."
Die beiden schwiegen einen Moment, und es war so still, dass man hörte, wie draußen der Wind auffrischte. Véronique ging bis zur offenen Tür, drehte sich dann aber noch mal um zu ihr: "Was machen wir, wenn die Fabrik uns auszahlt?"
"So weit ist es noch nicht."
"Ja, aber wenn."
"Du wolltest doch dieses Haus an der Côte d'Azur kaufen, oder?"
"Ja", Véroniques Stimme wurde lebhafter. "Das ist bestimmt ne gute Idee. Dann haben wir erst mal ausgesorgt. Wir haben Männer en masse und Geld genug."
"Aber freu dich lieber nicht zu früh, noch wissen wir gar nicht, mit wem wir es eigentlich zu tun haben."
"Bisher haben wir alle geschafft."
Was sollte sie darauf sagen? Sie schwieg.
Véronique zwinkerte ihr zu und verschwand dann in den Flur; einen Moment hörte man noch ihre Schritte, dann fiel die Haustür ins Schloss. Als draußen der Motor ansprang, lief Fabienne nach oben in den ersten Stock. Sie hastete in eines der Zimmer auf der Vorderseite und sah wieder hinterm Vorhang nach draußen: Bei dem Mercedes waren jetzt die Scheinwerfer eingeschaltet, der Wagen fuhr durchs offene Tor auf die Schwanthaler Allee und verschwand in der Ferne.
So weit lief eigentlich alles, wie es auch geplant war, aber trotzdem hatte sie ein mieses Gefühl: Dieser Auftrag war anders als die übrigen. Sie müssten besonders vorsichtig sein.
*
Jean Claude war wieder im Werk und folgte einem der Flure: Warum hatte man wohl ausgerechnet ihn ausgesucht, um Madame Fabienne zu fahren? Er würde auf jeden Fall versuchen, diese Arbeit auf einen anderen abzuwälzen; auf seinem Schreibtisch stapelten sich vielleicht schon die Akten. Und wenn jemand von den Kunden anrief, wäre er nicht da— so könnte das doch nicht weitergehen.
Außerdem wollte er auch mal Feierabend haben.
Als er zu Bikem Taschkans Büro kam, stand die Tür offen, und er blieb auf der Schwelle stehen. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch und las irgendwas; offenbar hatte sie ihn noch nicht bemerkt, oder verhielt sie sich etwa absichtlich so? Ihre dunklen Haare waren gelockt und reichten bis zu den Schultern. Ob es stimmte, was man in der Kantine über sie munkelte: Ob sie wirklich immer ne Knarre einstecken hatte?
Im Büro waren die Deckenleuchten eingeschaltet, und ein helles Licht füllte den Raum. Irgendwas brummte, wahrscheinlich einer der Computer. Jean Claude klopfte an, und Bikem sah von ihren Unterlagen auf: "Hat es geklappt?"
"Prima, ganz prima." Er betrat das Büro und legte den Autoschlüssel auf ihren Schreibtisch. "Madame Fabienne möchte allerdings einen anderen Wagen."
"Warum denn?"
"Der Opel gefällt ihr nicht." Er zuckte mit den Achseln, "Ich weiß auch nicht warum."
"Naja, das wird sich wahrscheinlich machen lassen. Wohin haben Sie die Frau denn gebracht?"
Das wird sich machen lassen? Sonderbar, diese Fabienne musste schon sehr wertvoll sein für die Fabrik, sonst würde man ihr das nicht zugestehen. Sollte er die Adresse sagen? Schwanthaler Allee 228. Lieber nicht. "Es war ein Haus auf der Parkinsel."
"Jaja", ihre Stimme wurde ein wenig schärfer. "Aber welches? Die Adresse."
"D-die hab ich mir jetzt nicht gemerkt. Es war... ein schönes Haus."
"Ein schönes Haus?" Sie schaute ihn an, und dabei fiel ihm auf, dass ihre Augen eine grüne Farbe hatten. Und wie intensiv ihr Blick war. Er verschränkte die Hände auf dem Rücken und sah auf den Fußboden.
Bikem Taschkan stand nun auf und knöpfte ihren Blazer zu, "Ich bin gleich wieder da. Warten Sie bitte hier, ja?!"
"Kein Problem."
"Gut." Sie verschwand nach nebenan, und man hörte, dass sie mit jemand sprach. Jean Claude schlich zur angelehnten Tür und lugte ins andere Büro: Bikem unterhielt sich mit Luigi Vacaro, und manchmal schauten die beiden in seine Richtung— die zwei redeten also über ihn, irgendwas stimmte da nicht.
Nun sah es so aus, als wäre das Gespräch gleich beendet, und er huschte zurück zu der Stelle, wo er zuvor gestanden hatte. Im nächsten Moment kam Bikem wieder zu ihm: "Herr Vacaro möchte persönlich mit Ihnen sprechen. Hier entlang, bitte."
"Alles klar."
Sie gingen also ins andere Büro, wo Vacaro schon auf ihn wartete. Der Mann kam hinter seinem Schreibtisch hervor und gab ihm zwei Umschläge: Einer war dünn, der andere ganz dick; beide waren mit Klebstreifen
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