Madame Hemingway - Roman
mir wurde ganz schlecht davon.«
»Klingt ganz nach meinem Mädchen. Es wäre ihr allerdings nicht ganz so leicht gefallen, mich noch zu verderben. Darin war ich selbst nämlich schon ziemlich weit fortgeschritten.«
Wir lachten, und ich vernahm, wie Ernest sich im Schlafzimmer räusperte. Ich schämte mich dafür, dass er sich nicht zu uns gesellte, und versuchte ihn zu entschuldigen.
Pauline schaute mit einem leichten Stirnrunzeln zur Tür. Sie war nur einen Spaltbreit geöffnet, doch er war dahinter deutlich zu erkennen, wie er auf dem Bett lag – nicht etwa krank, nur desinteressiert an unserer Gesellschaft. »Ich weiß alles über Ehemänner«, behauptete sie. »Ich studiere sie seit Jahren aus der Ferne.«
»Und du bist noch keinem näher gekommen?«, fragte ich.
»Eigentlich sogar ziemlich nah«, warf Kitty ein.
»Das spielt keine Rolle. Jetzt bin ich frei«, erwiderte sie. »Ich bewege mich völlig frei, und es ist herrlich.«
»Erzähl Hadley bloß nichts von Freiheit.« Kitty lachte. »Dazu hat sie nämlich eine ganze Reihe Theorien und Vorträge parat.«
Ich lief rot an und versuchte mich zu erklären, doch Pauline wechselte rasch und mit Leichtigkeit das Thema. »Kitty meint, du bist eine Kanone am Klavier«, sagte sie. »Hast du keins hier, auf dem du etwas für uns spielen könntest?«
»Leider nicht«, antwortete ich. »Ich bin auch keine professionelle Pianistin.«
»Was heißt denn schon
professionell
, abgesehen davon, dass du für andere statt nur für dich selbst spielst? Hast du schon Konzerte gegeben?«
»Seit Jahren nicht mehr, und es fiel mir auch damals schon schwer, den Mut dazu aufzubringen.«
»Es ist wichtig, dass man sich selbst ab und zu auf die Probe stellt«, erklärte sie. »Das hält jung.«
»Du solltest ein Konzert geben«, stimmte Kitty zu. »Das würde dir so guttun. Alle würden kommen.«
»Mir wird schon schlecht, wenn ich nur daran denke«, widersprach ich und tat die Idee mit einem Lachen ab. Doch später an diesem Abend, kurz vor dem Einschlafen, erzählte ich Ernest, dass ich mir ein eigenes Klavier wünschte. »Ich hätte nichtgedacht, dass ich es so sehr vermissen würde, aber das tue ich«, erklärte ich.
»Ich weiß, Kat. Ich finde auch, dass du eins haben solltest. Vielleicht, wenn ich den Vorschuss erhalte.«
»Das ist ein schönes Wort, nicht wahr?«
»Ja, und ›Tantieme‹ ist noch so eins, aber du solltest keins von beidem jetzt schon ausgeben.«
»Nein, Tatie, das werde ich nicht tun.« Aber ich schlief trotzdem glücklich ein.
An einem Abend Anfang Mai waren Ernest und ich allein im Dingo, als auf einmal Scott Fitzgerald von der Bar zu uns herüberkam und sich vorstellte.
»Sie sind Hemingway«, sagte Fitzgerald. »Ford hat mir vor ein paar Wochen eine Story von Ihnen gezeigt, und ich meinte nur: ›Nun, das ist es, oder nicht? Das ist mal wirklich ehrliches Zeug.‹«
»Tut mir leid, dass ich noch nichts von Ihnen gelesen habe«, erwiderte Ernest.
»Das ist nicht schlimm. Ich weiß nicht einmal, ob ich noch etwas schreiben werde. Seit ich mit meiner Frau Zelda nach Paris gekommen bin, gehen wir nur noch auf Partys, und ich komme überhaupt nicht mehr zum Arbeiten«, erklärte Fitzgerald.
Ernest schaute ihn in der schwachen Beleuchtung mit zusammengekniffenen Augen an. »So bekommen Sie nichts zustande.«
»Denken Sie, das wüsste ich nicht? Aber Zelda geht so gerne tanzen. Sie müssen sie unbedingt kennenlernen. Sie ist atemberaubend.« Er wandte sich in Richtung Tanzfläche, auf der mehrere Paare gerade einen geschmeidigen Tango hinlegten. »Vor kurzem ist allerdings ein Roman von mir veröffentlicht worden.
Der große Gatsby.
«
»Ich werde ihn mir besorgen«, versprach Ernest. »Wie halten Sie es aus, auf die Kritiken zu warten?«
»Das ist nicht so schwierig für mich. Das Ganze überhaupt erst mal zu schreiben fällt mir viel schwerer. Und wenn ich einmal damit fertig bin, kann ich es doch nicht loslassen. Wie bei diesem Gatsby. Ich kenne ihn so gut, als wäre er mein eigenes Kind. Nun ist er tot, und ich sorge mich immer noch um ihn. Ist das nicht komisch?«
»Und derzeit arbeiten Sie an gar nichts?«, erkundigte ich mich. »Abgesehen vom Tanzen?«
Er lächelte mich an und entblößte dabei seine hübschen Zähne. »Nein, aber ich fange sofort wieder damit an, wenn Sie mir versprechen, jedes einzelne Wort zu bewundern. Sagen Sie, was halten Sie bisher von mir?«
Etwa eine Stunde später setzten Ernest und ich Scott
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