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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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breit. Der Karamellstier war nicht weit von ihm entfernt und kam immer näher; Harold wich wie alle anderen zu einer Seite aus, um den Hörnern zu entgehen. Der Stier trottete an ihnen vorbei und wirbelte dann herum, um erneut auf sie zuzukommen. Harold packte sich plötzlich seine Hörner und ließ sich für ein paar Schritte von dem Stier tragen. Es sah aus wie eine einstudierte Zirkusnummer. Harold musste von seinem Erfolg genauso erstaunt sein wie alle anderen, doch als der Stier ihn leicht wie eine Feder absetzte, wandte er sich uns mit triumphierender Miene zu.
    »Das gefällt Hem gar nicht«, bemerkte Duff. Mein Blick folgte ihrem zu Ernest, der Harold beobachtete. Er schaute grimmig drein. Ein Picador streifte ihn fast im Vorbeigehen, doch er schien es gar nicht zu bemerken.
    »Er kann es nicht ausstehen, von einem anderen Mann geschlagen zu werden«, erklärte ich, doch Duff und ich wussten beide, dass Ernest schon die ganze Woche über sauer auf Harold war, seit er von der Reise der beiden nach St.-Jean-de-Luz erfahren hatte. Es war schlimm genug, dass Harold Duff bekam, während Ernest sich mit Frau und Kind herumschlagen musste, aber dann hatte Harold auch noch jeden einzelnen Tag in Pamplona damit verbracht, Duff wie ein kranker junger Ochse hinterherzulaufen und sich völlig zum Affen zu machen. Es war einfach zu viel.
    Der nächste Stier war schmaler und schneller. Er bewegte sich geschmeidig wie eine Katze, schritt erst an der einen, dann an der anderen Wand entlang und wechselte seine Richtung blitzschnell. Ein Einheimischer in einem dunklen Hemd kamihm zu nah und wurde hinunter auf die Knie geworfen. Der Stier warf den Kopf herum, und der Mann fiel ganz zu Boden, woraufhin der Stier über ihn hinwegtrampelte. Sofort eilten alle herbei, um den Stier abzulenken. Ernest bekam seine Aufmerksamkeit für einen Augenblick, als er seinen Umhang weit auf eine Seite warf. Andere Männer wedelten mit den Armen und riefen, doch der Stier lief erneut auf den Mann zu, der noch nicht wieder aufgestanden war, und stieß ihn mit dem Kopf an. Die Beine des Mannes flogen über seinen eigenen Kopf, gerade als der Stier sich ruckartig zur Seite drehte, wobei sein rechtes Horn in den Oberschenkel des Mannes direkt unter seinem Hintern drang und ihn bis zum Knie aufschlitzte. Der Mann schrie laut auf, und wir sahen seinen Schenkelknochen weiß aufschimmern und dann das Blut frei fließen, bevor die Picadores den Stier fortjagten und erst an die Wand und dann hinter den Zaun drängten, wo er nun neun Stunden darauf warten würde, getötet zu werden.
    Damit war der Amateur-Teil beendet. Die Arena leerte sich schnell, und Duff und ich stiegen hinunter, um die Jungs in Empfang zu nehmen. Wir hatten kein Wort mehr gewechselt, seit wir zusehen mussten, wie der Mann aufgeschlitzt wurde. Als wir bei den dreien angelangt waren, sahen wir, dass auch sie schwiegen.
    Wir machten uns auf den Weg in ein Café.
    »Ich fasse es nicht«, sagte Bill, der neben mir herlief. Aus seinem Gesicht war jede Farbe gewichen. Seine Schuhe waren völlig verstaubt. Wir fanden einen Tisch und orderten eine Runde dunkles Bier, das wir gern zum Mittagessen tranken, als der verwundete Mann auf einer Trage an uns vorbeigeschleppt wurde. Ein blutiges Tuch bedeckte ihn von der Hüfte abwärts.
    »Toro, toro!«
, rief jemand betrunken aus dem Café heraus, und der Mann setzte sich auf. Alle jubelten, und ein Jungerannte mit einem Glas Whiskey zu ihm, das der Mann leerte und dem Jungen zurückwarf, der es sicher mit einer Hand auffing. Erneut setzte Jubel ein.
    »Das ist eine furchtbare Art zu leben, oder nicht?«, fragte Duff.
    »Ich kann mir Schlimmeres vorstellen«, erwiderte Ernest.
    Unser Bier war gekommen, und wir begannen zu trinken. Der Kellner brachte dazu Gazpacho, gutes hartes Brot und mit Limone gedünsteten Fisch, und auch wenn ich geglaubt hatte, ich würde nach dem Anblick der Verletzung nichts hinunterbekommen, stellte ich nun fest, dass ich hungrig war und mir alles ganz vorzüglich schmeckte.
    Harold hielt sich an einer Seite des Tisches, entfernt von Ernest, doch als Pat schließlich blass und reizbar gemeinsam mit Don zu uns stieß, wusste Harold gar nicht mehr, wohin er sich richten oder mit wem er sich noch gefahrlos unterhalten konnte. Während wir unser Mittagessen beendeten, glich unser Tisch einem verzwickten Spiel emotionalen Schachs, bei dem Duff zu Ernest schaute, der ein Auge auf Pat hatte, der wiederum Harold anstarrte, der

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