Madame Hemingway - Roman
falls ich das Gefühl bekommen sollte, meine Fähigkeiten ließen mich im Stich. Unterdessen hatte Ernest all seine Energie in die Fertigstellung von
Fiesta
gesteckt und täglich mehrere Kapitel überarbeitet. Nun nahm er die letzten Änderungen vor, um das Manuskript an Maxwell Perkins zu schicken.
»Ich glaube, ich möchte es Mr. Bumby widmen«, erklärte er. »Und dazu schreibe ich in etwa, dass dieses Buch voller lehrreicher Anekdoten für ihn ist.«
»Meinst du das im Ernst?«
»Natürlich nicht. Das ist ironisch gemeint. Scott rät mir davon ab, aber ich finde es in Ordnung. Bumby wird schon verstehen, was ich ihm eigentlich sagen will: dass er auf keinen Fall so leben soll wie diese armen, verlorenen Wilden.«
»Wenn er irgendwann einmal lesen kann, meinst du«, sagte ich lachend.
»Ja, natürlich.«
»Zu wissen, wie man leben soll, ist nicht leicht, oder? Er hat großes Glück, dich als Papa zu haben, und eines Tages wird er darauf ungemein stolz sein.«
»Ich hoffe, das hast du ernst gemeint.«
»Selbstverständlich, Tatie. Warum denn auch nicht?«
»Weil es nicht immer leicht ist, zu wissen, wie man leben soll.«
Als ich meine Koffer für die Reise packte, bemerkte ich, wie erleichtert ich war, dass wir uns wieder in unserer Pariser Routine eingelebt hatten und dass Pauline weiterhin ein Teil davon war. Direkt nach unserer Rückkehr war sie in der Sägemühle aufgetaucht und dabei auf herrlichste Weise sie selbst gewesen, hatte mit uns beiden gescherzt und gelacht und uns ihre »zwei liebsten Menschen« genannt.
»Gott, ich habe dich vermisst, Pfife«, hatte ich völlig aufrichtig zu ihr gesagt.
Zu Beginn unserer Reise waren die beiden Schwestern glänzend aufgelegt. Zwei Tage lang statteten wir jedem Schloss einen Besuch ab, das auf unserer Karte verzeichnet war, und eins wirkte größer und atemberaubender als das andere. Doch mit der Zeit verdüsterte sich Paulines Laune.
Das Château d’Azay-le-Rideau war eine weiße Steinfestung, die über dem sie umgebenden Seerosenteich zu schweben schien. Pauline sah sich alles mit finsterer Miene an und sagte dann: »Bitte lasst uns gehen. Ich will nichts mehr sehen.«
»Du hast nur Hunger, Entlein«, erwiderte Jinny. »Wir werden gleich zu Mittag essen.«
»Die Perserteppiche sollen ganz prachtvoll sein«, erwähnte ich nach einem Blick in den Reiseführer, den Pauline mir in die Hand gedrückt hatte.
»Ach, halt doch die Klappe, Hadley.«
»Pauline!«, rief Jinny in scharfem Ton.
Pauline schien über ihre eigenen Worte entsetzt zu sein und eilte zum Wagen. Ich für meinen Teil war so schmerzlich getroffen, dass mir das Blut aus den Wangen wich.
»Bitte hör nicht auf sie«, sagte Jinny. »Ich glaube, sie schläft nicht gut. In der Hinsicht war sie schon immer sehr empfindlich.«
»Worum geht es wirklich? Will sie mich nicht dabeihaben?«
»Sei nicht albern. Das Ganze war doch ihre Idee gewesen. Gib ihr nur ein bisschen Raum, dann wird sie schon wieder zur Besinnung kommen.«
Jinny und ich spazierten fast eine Stunde lang durch den Schlosspark und als wir zum Auto zurückkehrten, hatte Pauline bereits die Flasche Weißwein zur Hälfte getrunken, die im Kofferraum auf Eis gelegen hatte. »Bitte verzeih mir, Hadley. Ich bin so eine blöde Kuh.«
»Gutes Mädchen«, sagte Jinny.
»Ist schon in Ordnung«, erwiderte ich. »Wir haben ja alle unsere Launen.«
Doch sie trank den ganzen Tag über zu viel, und unter der Fassade des allgemeinen Vergnügens schien sie vor sich hin zu brodeln, egal, was wir noch aßen oder sahen oder taten. Egal, was ich oder irgendjemand sagte.
Am späten Nachmittag hatten wir haltgemacht und liefen durch den Jardin de Villandry an der Loire. Die ganze Anlage erschien prunkvoll und perfekt. Der Garten befand sich auf drei Ebenen, von der die erste auf Höhe des Flusses lag und von blühenden Linden umrahmt wurde. Die beiden weiteren Ebenen waren hübsch geometrisch angelegt und wurden von Pfaden aus kleinen rosa Steinchen durchschnitten. Es gab einen Kräutergarten, einen Musikgarten und einen, der »Garten der Liebe« genannt wurde und in dem Pauline ihren Schritt verlangsamte. Schließlich blieb sie vor einem Beet mit Gartenamarant stehen und fing unerklärlicherweise an zu weinen.
»Bitte hör auf, Darling«, sagte Jinny. »Bitte sei doch glücklich.«
»Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.« Sie wischte sich die Tränen mit einem gebügelten Baumwolltaschentuch fort, konnte jedoch nicht verhindern,
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