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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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rezitiert.« Sie hatte sich das Haar streng aus dem Gesicht gekämmt und trug eine riesige weiße Pfingstrose hinter dem Ohr. Ihr Make-up war tadellos, doch sie sah angespannt und müde aus.
    »Aber jeder mag doch Longfellow«, rief Scott, als er mit einigem Aplomb auf seinen Stuhl krachte, und wir lachten alle ein wenig. »Komm, mein Schatz«, sagte er zu Zelda, die noch immer stand. »Lass uns etwas mit diesen herrlich affektierten Leuten hier trinken. Es gibt auch Kaviar. Was zum Henker würden wir nur ohne Kaviar tun?«
    »Bitte sei still, Darling«, sagte sie und setzte sich. Sie zeigte uns ein breites falsches Lächeln. »Er wird sich nun benehmen, das verspreche ich.«
    Der Kellner brachte uns mehr Gläser und kam dann noch einmal, um unseren Nachbartisch zu bedienen, an dem ein wunderschönes junges Mädchen mit einem Herrn, der ihr Vater zu sein schien, zum Abendessen saß.
    »Das ist ja mal ein hübsches Arrangement«, sagte Scott, der das Mädchen gierig anstarrte. Ernest stieß ihn mit dem Ellbogen an, doch er wandte den Blick nicht ab.
    »Sie sind kein Gentleman«, sagte der Vater schließlich auf Französisch zu Scott und brachte das Mädchen dann nach drinnen, weit fort von uns.
    »Ein Gentleman ist nur
eins
der Dinge, die ich nicht bin«, sagte Scott und wandte sich wieder uns zu. »Außerdem bin ich nicht gesund, nicht schlau und nicht annähernd betrunken genug, um meine Zeit mit euch zu verbringen.«
    Gerald erblasste und flüsterte Sara etwas ins Ohr.
    »Na, Gerald, alter Junge. Wie wär’s, wenn du mir mal eine Auster zuschmeißt? Ich bin am Verhungern.«
    Gerald sah ihn nur kalt an und wandte sich dann wieder Sara zu.
    »Sara«, rief Scott und versuchte, ihre Aufmerksamkeit von ihrem Mann abzulenken. »Sara, bitte schau mich an. Bitte.«
    Doch das tat sie nicht, und da nahm sich Scott einen Aschenbecher aus Kristallglas und warf ihn über Geralds Schulter hinweg auf einen leeren Tisch dahinter. Sara zuckte zusammen. Gerald duckte sich und brüllte Scott an, sofort aufzuhören. Scott schnappte sich jedoch einen zweiten Aschenbecher, der die Tischmitte traf und mit einem lauten Klirren davon abprallte.
    Zelda schien beschlossen zu haben, ihn komplett zu ignorieren, doch wir anderen waren entsetzt und beschämt.
    »Na komm, du Märchenprinz«, sagte Ernest schließlich mit Nachdruck. Er ging hinüber zu Scott, ergriff seinen Ellbogen und half ihm auf. »Lass uns tanzen«, forderte er ihn auf und führte ihn dann geradewegs von der Terrasse die Treppen zum Strand hinunter. Alle starrten ihnen hinterher, abgesehen von Zelda, die konzentriert die Hecken beobachtete.
    »Nachtigall«, sagte sie. »War es Vision? Ein Traum, und ich doch wach?«
    Archie MacLeish hüstelte: »Ja. Also gut.« Ada berührte ihr onduliertes Haar so vorsichtig, als wäre es aus Glas, und ich schaute aufs Meer hinaus, das so schwarz wie der Himmel und daher unsichtbar war. Jahre später brachte der Kellner endlich die Rechnung.
     
    Am nächsten Morgen schlief ich aus, da ich wusste, dass Bumby sich bei Marie Cocotte in guten Händen befand. Als ich hinunterkam, saßen Scott und Ernest am langen Tisch im Esszimmer und hatten ein Bündel Kohlepapier vor sich ausgebreitet.
    »Scott hatte gerade eine bedeutsame Idee«, erklärte Ernest.
    »Guten Morgen, Hadley«, sagte Scott. »Tut mir leid wegen gestern Abend. Ich bin ein ziemlicher Dummkopf, nicht wahr?«
    »Ja«, erwiderte ich und lachte. Wenn er nüchtern war, wie jetzt, dann war er ganz vernünftig und der kultivierteste Mensch, den man sich vorstellen konnte. Ich ging mir eine Tasse Kaffee holen und kam dann zurück an den Tisch, um einen Blick auf ihren Plan zu werfen.
    Ernest erläuterte: »In den ersten fünfzehn Seiten von
Fiesta
bekommen wir Jakes Autobiographie erzählt und Brett und Mikes Hintergrund erklärt, aber all das erfahren wir auch später noch, oder zumindest erfahren wir genug. Scott meint, wir sollten diesen ersten Teil einfach abschneiden, sozusagen den Kopf abtrennen.«
    »Ich denke, es wird funktionieren«, bestätigte Scott ernst und nickte in seinen Café Crème.
    »Es ist genau das, was ich immer über die Storys gesagt habe, dass man mit so wenig Erklärungen wie möglich auskommt. Entweder, es ist sowieso schon alles da, oder eben nicht. Die Exposition hält das Ganze nur auf und macht es dadurch kaputt. Und nun habe ich die Gelegenheit, zu sehen, ob es auch auf die Länge eines Romans anwendbar ist. Was sagst du dazu, Tatie?« Seine Augen

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