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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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leuchteten hell, und er wirkte wieder ganz wie der Junge, den ich in Chicago kennengelernt hatte, so dass ich lächeln musste, egal, was ich auch sonst noch fühlen mochte.
    »Ich finde, das klingt großartig. Du wirst es so hinbekommen, dass es wunderbar funktioniert. Hol das Messer.«
    »Das ist mein Mädchen.«
    Vergiss das nicht,
wollte ich sagen.
Ich bin immer noch dein bestes Mädchen.
    Ich nahm meinen Kaffee mit auf die Terrasse und blickte über die Dächer des Städtchens auf das strahlend blaue Meer, das frei von allem zu sein schien. Nicht eine einzige Möwe und nicht ein Wölkchen waren zu sehen. Hinter mir hatten die Männer wieder die Köpfe zusammengesteckt und waren in ihre Arbeit vertieft. Sie sprachen alles genauestens durch, denn es handelte sich um eine Herzoperation, und sie waren die Chirurgen, und es war ihre bisher wichtigste Arbeit. Scott konnte ein schrecklicher Säufer sein, und Ernest konnte alle, die ihm je geholfen hatten und ihn liebten, brutal von sich wegstoßen – doch nichts von alldem zählte, wenn der Patient vor ihnen lag. Am Ende gab es für die beiden nur den Körper vor ihnen auf dem Tisch und die Arbeit, die Arbeit, die Arbeit.
     
    Nach Ernests Rückkehr aus Madrid folgten wir eine gute Woche lang einer Routine, die sich aufrechtzuerhalten schien. Jeden Morgen nahmen wir auf unserer Terrasse in Juan-les-Pins Sherry und Gebäck zu uns, wie die anderen es in der Villa America taten. Um zwei gingen wir zum Lunch zu den Murphys oder den MacLeishs, während Bumby seinen Mittagsschlaf hielt oder mit Marie Cocotte spielte. Wenn es Zeit für Cocktails war, füllte sich unsere Auffahrt mit drei Wagen und lautem Gelächter, während wir uns in die Quarantäne zurückbegaben und sie durchzuhalten versuchten, indem wir uns das köstliche Essen und den Alkohol durch das Terrassengeländer hin- und herreichten.
    Ernest schrieb während der ersten Tage fleißig, doch dann stellte er fest, dass es unmöglich war, wirklich allein zu sein – und dass er das vielleicht auch gar nicht
wollte
. Scott versuchte wieder trocken zu werden, versagte jedoch kläglich. Er undErnest verbrachten viel Zeit damit, über Arbeit zu sprechen, die sie dann allerdings nicht verrichteten. Stattdessen sonnten sie sich am Strand und saugten das Lob der Murphys in sich auf, als könnten sie nie genug davon bekommen.
    Sara war eine Naturschönheit mit einem dichten goldbraunen Bob und einem klaren, durchdringenden Blick. Scott und Ernest kämpften beide um ihre Aufmerksamkeit, und Zelda konnte nicht mit ihr mithalten. Sie wurde jeden Tag gereizter und anmaßender, ließ ihren Zorn jedoch nicht Sara spüren, denn immerhin waren sie Freundinnen und Verbündete, sondern richtete ihre spitzesten Bemerkungen stets an Ernest.
    Zelda und Ernest hatten sich nie leiden können. Er fand, dass sie zu viel Macht über Scott besaß und dass sie ihn zerstörte und obendrein noch halb verrückt war. Sie hielt ihn für einen Blender, der sich als Macho gab, um seine tiefe Unmännlichkeit zu verbergen.
    »Ich glaube, du hast dich in meinen Mann verliebt«, sagte sie eines Abends am Strand zu Ernest, nachdem wir alle zu viel getrunken hatten.
    »Scott und ich sollen Tunten sein? Das ist stark«, rief er.
    Zeldas Blick war hart und düster. »Nein«, erwiderte sie. »Nur du.«
    Ich dachte, Ernest würde sich gleich auf sie stürzen, doch da hatte sie sich schon schrill lachend abgewandt und begann sich auszuziehen. Scott hatte sich intensiv mit Sara unterhalten, doch nun richtete er seine volle Aufmerksamkeit auf sie. »Was in aller Welt machst du da, mein Liebling?«
    »Deine Nerven auf die Probe stellen«, antwortete sie.
    Auf der rechten Seite des kleinen Strandes befand sich eine Anhäufung von Felsen. Der höchste Punkt war etwa zehn Meter über dem Wasser, und darunter herrschte immer eine bewegte Strömung, die über versteckte zerklüftete Stellen wirbelte. Zelda schwamm unbeeindruckt in Richtung dieser Steine,während wir ihr mit schrecklicher Neugierde zusahen. Was würde sie tun? Was würde sie nicht tun?
    Als sie bei den Felsen angekommen war, kletterte sie leichtfüßig hinauf. Scott zog sich aus und folgte ihr, doch er hatte kaum die ersten Ausläufer erreicht, da sprang sie schon mit lautem Indianergeheul hinunter. Einen grauenhaften Moment lang dachten wir, sie hätte sich umgebracht, doch da tauchte sie wieder an der Wasseroberfläche auf und lachte fröhlich. Der Mond schien in dieser Nacht hell, und wir konnten

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