Madame Hemingway - Roman
die Konturen ihrer Körper deutlich erkennen. Dann hörten wir noch mehr wildes Gelächter, als Zelda wieder hochkletterte, um noch einmal zu springen. Scott tat es ihr nach, obwohl sie beide betrunken genug waren, um in den Wellen zu ertrinken.
»Ich habe genug gesehen«, meinte Ernest, und wir gingen nach Hause.
Am nächsten Nachmittag war die Stimmung beim Lunch auf der Terrasse angespannt, bis Sara schließlich sagte: »Bitte jage uns nicht mehr so einen Schrecken ein, Zelda. Das ist so gefährlich.«
»Aber Sara«, erwiderte Zelda mit unschuldigem Augenaufschlag, »weißt du denn nicht, dass wir nicht an Konservierung glauben?«
In den kommenden Tagen, während Pauline uns zuerst aus Bologna und dann aus Paris ihre Briefe zuwarf, begann ich mich zu fragen, ob Ernest und ich an Konservierung glaubten – ob wir bereit waren, für das zu kämpfen, was wir besaßen. Vielleicht war Pauline stärker als wir beide. Sie beschwatzte uns so lange, klagte darüber, dass sie so weit vom Geschehen entfernt sei, und ob man nicht etwas dagegen tun könne? Sie schrieb, dass sie keine Angst vor Bumbys Keuchhusten habe, da sie ihn schon als Kind gehabt hatte. Könne sie nicht kommen und die Quarantäne mit uns teilen? Diesen Brief schickte sie an michund nicht an Ernest, und mir verschlug es wieder einmal die Sprache, wie glühend und zielstrebig Pauline war. Sie tat die ganze Zeit über so, als wären wir noch Freundinnen. Sie rückte keinen Millimeter von ihrem Standpunkt ab.
Pauline kam an einem blendend hellen Nachmittag in Antibes an. Sie trug ein weißes Kleid und einen weißen Strohhut und sah unglaublich frisch und sauber aus, wie ein Becher Eiscreme. Ein sich ausbreitender Sonnenfleck. Einer anderen Frau wäre es vielleicht unbehaglich gewesen, so auf der Bildfläche zu erscheinen, wenn jeder von ihrer Rolle als Geliebte wusste oder zumindest ahnte – doch Pauline war nicht im mindesten gehemmt. In dieser Hinsicht ähnelte sie Zelda. Die beiden wussten, was sie wollten, und fanden einen Weg, es zu bekommen oder es sich zu nehmen. Sie waren beängstigend scharfsinnig und modern und damit das glatte Gegenteil von mir.
»Ist es nicht schön für Hem, dass du immer mit allem einverstanden bist?«, fragte Zelda mich eines Abends. »Ich meine, Hem hat das Steuer fest in der Hand, nicht wahr?«
Ich war zusammengezuckt und hatte nichts erwidert, da ich annahm, dass sie es aus Eifersucht über die Nähe der Jungs sagte, doch sie hatte auch nicht unrecht. Ernest saß wirklich am Steuer, und wenn er mich gelegentlich überfuhr, geschah dies nicht aus Versehen. Wir waren beide in Haushalten aufgewachsen, in denen die Frauen mit eiserner Hand regierten und ihre Ehemänner und Kinder zum Zittern brachten. Ich wusste, dass ich niemals so werden würde, um keinen Preis. Ich hatte meine Rolle als Ernests Unterstützerin gewählt, doch in letzter Zeit war die Welt ins Schwanken geraten, und meine Wahlmöglichkeiten waren verschwunden. Wenn Ernest sich umschaute, sah er eine andere Art von Leben, die ihm gefiel. Die Reichen verbrachten ihre Tage besser und ihre Nächte freier. Sie befehligten die Sonne und konnten über Ebbe und Flut befinden. Pauline war ein neues Frauenmodell, und warumsollte er sie nicht haben können? Warum konnte er nicht die Hand ausstrecken und alles für sich beanspruchen, was er wollte? War das nicht die Art, wie die Dinge gehandhabt wurden?
Ich dagegen hatte das Gefühl, dass alles sich gegen mich verschworen hatte und ich feststeckte. Dies war nicht meine Welt. Dies war nicht meine Art von Leuten, und sie zogen Ernest täglich weiter zu sich. Was konnte ich tun oder sagen? Es war immer noch möglich, dass er irgendwann das Interesse an Pauline verlor und voll und ganz zu mir zurückkehrte, aber es lag nicht in meiner Macht. Wenn ich ihm ein Ultimatum stellte und erklärte, dass sie nicht bleiben dürfe, würde ich ihn verlieren. Wenn ich hysterisch wurde und ihm öffentliche Szenen machte, würde ich ihm nur eine Entschuldigung dafür liefern, mich zu verlassen. Mir blieb nur, wie gelähmt abzuwarten, dass mein Herz gebrochen werden würde.
Vierzig
Er verstand nicht, wie die Liebe im einen Augenblick ein Garten und im nächsten ein Kriegsschauplatz sein konnte. Momentan befand er sich im Krieg, und seine Loyalität stand unter ständiger Beobachtung. Das geradezu schmerzhafte, wahnsinnige Glück des Frischverliebtseins hatte ihn längst verlassen, und nun war er sich nicht mehr sicher, ob er es
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