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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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geheimes Klopfzeichen. Ich malte es mir aus, wie so vieles andere auch, obwohl mir bei der Vorstellung ganz schlecht wurde. Wenn sie eine Stunde darauf zum Lunch erschien, war sie stets frisch geduscht und tadellos gekleidet. Sie setzte sich lächelnd hin und begann, das Essen oder den ganzen Tag in den Himmel zu loben. Es war alles so fein abgestimmt und diskret, dass ich mich fragte, ob sie eine gewisse Freude an ihrer Rolle empfand. Es schien, als würde sich in ihrem Kopf ein Film abspielen, in dem sie die große Schauspielerin war, die niemals auch nur einen einzigen Satz verpatzte.
    Ich war nicht annähernd so gerissen. Mir fehlten immer öfter die richtigen Worte, und ich wollte auch anderen Menschen nicht mehr zuhören. Ihre Gespräche wirkten auf mich hohl und verlogen. Lieber schaute ich auf das Meer hinaus, das schwieg und einem nie das Gefühl gab, allein zu sein. Von meinem Fahrrad aus konnte ich die Boote im Wasser beobachten oder das hellgrüne Gestrüpp betrachten, das hartnäckig aus den Mauern herauswuchs. Obwohl es heftig von Wind und Wellen attackiert wurde, blieb es irgendwie fest verwurzelt und so unbeweglich wie das dunkle Moos auf den Felsen.
    Als einmal nachts stundenlang ein Sturm tobte, war Pauline am nächsten Morgen ganz versessen darauf, mich auf jedes Zeichen der Zerstörung hinzuweisen: umgedrehte Beiboote, abgerissene Äste von Pinien und das Gewirr der Sonnenschirmeam Strand. Ich versuchte, ihrem Geplapper zu entkommen, indem ich immer schneller in die Pedale trat, bis ich nur noch das Surren der Räder auf dem Asphalt hörte. Aber so leicht wurde ich sie nicht los.
    »Ich habe versucht, Drum dazu zu überreden, im Herbst in die Staaten zu gehen. Du weißt doch, dass meine Eltern Land in Arkansas besitzen. Das Leben ist so billig dort, und ihr würdet ein Vermögen sparen.«
    Wie ich es hasste, dass sie ihm so zwanglos Spitznamen gab. Das war unsere Sprache. Unser Tanz. »Spar dir die Spucke«, sagte ich. »Er würde sich eher den Arm abhacken, als nach Hause zurückzukehren.«
    »Eigentlich fand er die Idee gut.«
    »Arkansas?«
    »Piggott. Es ist natürlich sehr ländlich, aber das magst du doch.«
    »Ich mag unser Leben hier. Was versuchst du eigentlich zu tun?«
    »Es tut mir leid. Ich denke dabei doch nur an euch. Ihr werdet in Paris bald kein Geld mehr übrig haben. Er sollte einen neuen Roman beginnen und sich über nichts anderes Sorgen machen müssen. Und du könntest dir in Piggott hübsche neue Sachen leisten. Das wird dir doch gefallen.«
    »Nein«, entgegnete ich. »Nein, das gefällt mir nicht.«
    Die restliche Fahrt über kämpfte ich gegen Ungläubigkeit und die hochsteigenden Tränen an. Ich wollte Pauline keins von beidem zeigen und fuhr also schneller und schneller, um meinen Vorsprung zu vergrößern. Manche der Kurven waren gefährlich. Wenn ich auch nur für einen Moment das Gleichgewicht verloren hätte, hätte ich den Abhang hinunter auf die gezackten Felsbrocken fallen können. Manchmal geriet ich ins Schlingern, doch ich hielt meinen Kurs und verspürte eine Art von scharfkantiger Euphorie, während ich zurückeilte,um Ernest zur Rede zu stellen. Mein Blut war durchströmt von Adrenalin, und meine Gedanken überschlugen sich. Was würde ich sagen? Was konnte er zu seiner Verteidigung hervorbringen?
    Als ich das Hotel erreichte, war ich so aufgebracht, dass ich mein Fahrrad einfach im Kies liegenließ und atemlos und mit einer feinen Schweißschicht bedeckt ins Hotel rannte. Ich hatte mir vorgenommen, in sein Arbeitszimmer zu platzen, doch natürlich war die Tür verschlossen.
    »Wer ist da?«, fragte er, als ich klopfte.
    »Deine Frau«, rief ich mit vor Zorn belegter Stimme.
    Als er die Tür öffnete, konnte ich erkennen, wie überrascht er war, mich dort zu sehen. Es war Paulines Zeit, oder zumindest fast. Wahrscheinlich hatte er schon begonnen, sie mit wachsendem Verlangen zu erwarten.
    »Du glaubst doch wohl nicht, dass ich nach Arkansas ziehe«, spuckte ich aus, noch bevor er die Tür hinter mir geschlossen hatte.
    »Oh«, sagte er. »Ich wollte dir bald davon erzählen. Wenn du einmal vernünftig darüber nachdenken würdest, könntest du erkennen, dass es gar keine schlechte Idee ist.«
    »Wir würden bei ihren Eltern leben?« Ich lachte schrill.
    »Nein, sie würde ein Haus für uns alle suchen, vielleicht in der Stadt.«
    Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. »Du willst, dass wir alle zusammenleben?«
    »Das tun wir doch jetzt auch schon,

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