Madame Hemingway - Roman
bluffte, aber tat ich das nicht auch? Bekam es nicht jeder an seinem Hochzeitstag mit der Angst zu tun?
Während Ernest seine letzten Stunden als freier Mann in einem Cottage in Horton Bays Main Street verbrachte, wo er gemeinsam mit seinen Trauzeugen eine Flasche Whiskey kreisen ließ, ging ich nach dem Mittagessen mit meinen Brautjungfern Ruth und Kate ausgiebig schwimmen.
Es war nicht leicht gewesen, Kate zu überreden, überhaupt bei der Hochzeit zu erscheinen. Einige spannungsreiche, schwierige Briefe waren dafür nötig gewesen, die zunächst alle in ihre Richtung gingen. Doch nach mehreren Wochen schrieb sie schließlich zurück und gab zu:
Leider bin ich einmal sehr in Ernest verliebt gewesen. Ich weiß nicht, warum ich es dir nicht früher sagen konnte. Doch es war sehr schmerzvoll zu sehen, wie er sich stattdessen in dich verliebte, und ich empfand die Vorstellung als beschämend, wie ihr beide euch womöglich über mich lustig gemacht habt.
Ihre Worte versetzten mir einen Stich. Ich wusste nur zu gut, wie elend man sich durch unerwiderte Liebe fühlen konnte, doch Kate stellte gerade unter Beweis, was für eine gute Freundin sie war. Sie hatte Ernest geliebt und ihn an mich verloren und war doch bereit, vor unserer Familie und unseren Freunden für uns einzustehen. Ich war an diesem Nachmittag voller Bewunderung für sie und schwamm zu ihr ins seichte Wasser hinüber, um ihr mitzuteilen: »Kate, du bist wirklich ein feiner Kerl.«
»Du auch, Hash«, erwiderte sie. Dabei traten ihr Tränen in die Augen.
Wenn wir damals nur geahnt hätten, dass acht Jahre später, in einem Paris, das wir uns beide noch nicht einmal vorstellen konnten, John Dos Passos Kates Glanz erliegen und ihr so lange hinterherlaufen würde, bis sie schließlich einwilligte, ihn zu heiraten. Dass Dos beinahe ebenso schneidig und genauso wichtig für die amerikanische Literatur war wie Ernest, hätte diesen Augenblick deutlich gemildert, doch man weiß nun einmal nie, was noch vor einem liegt, sei es gut oder schlecht. Die Zukunft blieb uns verborgen, während Kate mich matt anlächelte und auf das Schilf zupaddelte.
Da das Wasser an diesem Nachmittag so warm und angenehm war, schwammen wir bis drei Uhr, und ich erschrak plötzlich bei dem Gedanken, dass mein Haar niemals rechtzeitig zur Zeremonie trocken sein würde. Wir eilten zurück ins Cottage, wo ich es mit Bändern hochsteckte und dann in das elfenbeinfarbene Spitzenkleid stieg, das mir so gut stand, dass ich der Ansicht war, es würde mein feuchtes Haar wieder wettmachen. Dazu kamen noch cremeweiße Schuhe und ein Blumenkranz mit einem Schleier, der über meinen Rücken fiel, sowie ein Sträußchen Schleierkraut.
Um Viertel nach vier betraten wir die kleine Kirche, die Kate und Ruth mit Hakenlilien, Springkräutern und Goldruten voneiner nahegelegenen Wiese dekoriert hatten. Sonnenlicht brach durch die Fenster und kletterte die Wände hinauf. Ernest und seine Trauzeugen standen am Altar und sahen vital und prächtig aus in ihren weißen Hosen und dunkelblauen Jacketts. Irgendjemand nieste. Der Organist setzte mit Wagners »Hochzeitsmarsch« ein, und ich begann zum Altar zu schreiten. Geführt wurde ich von George Breaker, einem Freund der Familie. Ich hatte gehofft, mein Bruder Jamie könne aus Kalifornien kommen, um mich zum Altar zu leiten, doch er war zu geschwächt von der Tuberkulose. Arthur Wyman, der Bruder meiner Mutter, wäre meine nächste Wahl gewesen, doch auch er war zu krank, um an der Hochzeit teilzunehmen. Ich war traurig, dass nur so wenige aus meiner Familie anwesend waren, aber sollte ich nicht an diesem Tag eine neue Familie bekommen?
Auf meinem Weg zur Kanzel kam ich an Fonnie vorbei, die unter ihrem kleinen, enganliegenden marineblauen Hut äußerst steif wirkte. Roland stand neben ihr und lächelte mir lieb zu, und meine Nichte Dodie grinste und zeigte auf Ernests Knie, die in seinen weißen Flanellhosen leicht zitterten. War das noch ein weiteres Zeichen dafür, dass er kalte Füße bekam, oder war es etwas anderes? Ich wollte es eigentlich gar nicht allzu genau wissen, und es war ohnehin zu spät, um ihm diese Fragen zu stellen – selbst wenn ich gewollt hätte, wäre es zu spät gewesen, um das Ganze noch abzublasen. Und ich wollte es nicht.
Die Zeremonie verlief ruhig und wunderschön und ohne jegliche Störung. Wir traten aus der kleinen Kirche ins letzte Sonnenlicht des Tages. Nach einem Dinner mit Hühnchen und klebrigem Schokoladenkuchen
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