Madame Hemingway - Roman
etwa zu viel verlangt?«
»Nur für den Moment. Wenn wir erst einmal verheiratet sind, kannst du mich sehen, wann immer du willst.«
»Was für eine schöne Vorstellung.« Er lächelte.
»Die allerschönste.«
Es war kein großes Geheimnis, dass ich noch Jungfrau war. Abgesehen von einem leidenschaftlichen Kuss hier und da hatte ich keinerlei sexuelle Erfahrungen vorzuweisen. Ernest deutete gern an, dass er schon mit vielen Mädchen intim geworden war. Ich nahm an, dass er mit Agnes in Italien geschlafen hatte, schließlich hatten sie vorgehabt zu heiraten, und was darüber hinaus ging, wollte ich mir lieber nicht vorstellen. Die Frage, ob ich in der Lage wäre, ihn zu befriedigen, bereitete mir zu viel Kopfzerbrechen. Also drängte ich diesen Gedanken beiseite und dachte lieber daran, dass ich ihn besser kennenlernen würde, wenn ich mit ihm schlief, und zwar in jeder möglichen Hinsicht und ohne Hindernisse oder Schranken. Dass ich unerfahren war, würde dabei nicht ins Gewicht fallen. Es wäre doch unmöglich, dass er nicht spürte, dass ich ihn ganz und gar liebte und nichts vor ihm zurückhielt.
Ernest schien darauf vorbereitet, bis zu unserer Hochzeitsnacht zu warten, zumindest drängte er mich in keiner Weise. Doch nach unserem Besuch in Oak Park und einem langen Gutenachtkuss vor Kenleys Tür erzählte er mir, dass er in dieser Nacht nicht gedachte, zum Schlafen zu Don Wright zu gehen. »Ich übernachte unter freiem Himmel.«
»Was meinst du damit?«
»Komm, ich zeig es dir.«
Ich folgte ihm über die Feuertreppe aufs Dach und erwartete, dass es dort oben bitterkalt sein würde – es war schließlich März, und der Frühling ließ in Chicago noch mehrere Wochen auf sich warten –, doch Ernest hatte sich in einer windgeschützten Ecke aus Decken ein gemütliches Nest gebaut.
»Du hast dir hier ja ein richtiges kleines Königreich geschaffen!«
»Das war die Idee dahinter. Möchtest du etwas Wein?« Er griff in sein Nest und zauberte eine verkorkte Flasche sowie eine Teetasse hervor.
»Was hast du denn noch alles da drin versteckt?«
»Komm rein und finde es raus.« Sein Tonfall war leicht und neckend, aber als ich mich neben ihn auf die Steppdecke legte und er ein Tuch um meine Schultern zog, fühlte ich seine Hände zittern.
»Du bist aufgeregt«, stellte ich fest.
»Ich weiß auch nicht, warum.«
»Du warst schon mit vielen Mädchen zusammen, oder nicht?«
»Mit keiner wie dir.«
»Na,
das
ist wohl die perfekte Antwort.«
Wir bauten uns ein Zelt aus den Decken und küssten uns lang, warm eingehüllt und abgetrennt vom Rest der Welt. Und dann, ohne vorher zu wissen, was ich tat, zog ich meine Jacke und Bluse aus und legte mich neben ihn. Das Kratzen seiner Wolljacke auf meiner nackten Haut machte mir nichts aus. Auch nicht, dass er sich zurücklehnte, um mich zu betrachten.
Ich fühlte mich keineswegs so schüchtern und entblößt, wie ich gedacht hatte. Sein Blick war so sanft wie seine Hände. Sie glitten über meine Brüste, und mich überraschte die elektrische Spannung, die seine Berührung durch meinen Körper jagte. Ich lehnte mich automatisch gegen seinen Körper, unddann ging alles Weitere recht schnell, meine Hände suchten nach seinen, seine Lippen waren auf meinen Augenlidern, meinem Hals, überall auf einmal. Alles war neu für mich, fühlte sich aber ganz natürlich und irgendwie richtig an, selbst als es weh tat.
Als ich ein Teenager war, hatte meine Mutter einen Artikel in der
New Republic
veröffentlicht, in dem sie behauptete, dass eine Frau, die sexuelle Aktivitäten genoss, nicht besser als eine Prostituierte sei. Um Kinder zu bekommen, musste man sich natürlich fügen, doch das höchste Ziel einer Frau könne nur im strikten, glückseligen Zölibat liegen. Ich wusste nicht, was ich von Sex halten oder was ich mir außer Unannehmlichkeiten davon erwarten sollte. Als ich älter und neugieriger wurde, überflog ich Auszüge aus Havelock Ellis’
Psychology of Sex
in Rolands
Literary Digest
nach dringend benötigten Informationen. Aber manche Dinge konnte ich mir nur schwerlich im Detail vorstellen, etwa, wo unsere Körper sich vereinen und wie sich das tatsächlich
anfühlen
würde. Ich weiß nicht, ob ich verklemmt oder nur schwer von Begriff war, doch in meinen Phantasien von unserer Hochzeitsnacht trug Ernest mich über eine mit Blumen bestreute Schwelle, und mein weißes Kleid fiel ganz von allein von mir ab. Dann, nach ein wenig unbestimmtem zärtlichem Gerangel,
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