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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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Wissen gierte, und tat Ernest den Gefallen, indem er ununterbrochen redete, während Dorothy mich in eine andere Ecke des Raumes führte, weit genug von den Männern entfernt. Unter einem hohen Fenster, durch das Sonnenlicht strömte, schenkte sie mir Tee ein und erzählte mir von ihrem berühmten Stammbaum.
    »Mein Mädchenname ist Shakespear, ohne das
e
am Ende. Mein Vater stammte von dem großen Mann selbst ab.«
    »Warum ohne
e

    »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. So erscheint mir der Name jedenfalls unkonventioneller. Nicht, dass ich in dieser Hinsicht noch Hilfe bräuchte. Meine Mutter war eine Weile als Geliebte von William Butler Yeats bekannt. So habe ich Ezra kennengelernt, als er Yeats’ Assistent war. Bei meiner Herkunft sollte ich wohl selbst Dichterin werden, aber stattdessen habe ich einen Dichter geheiratet.«
    »Wir haben ein paar Sachen von Yeats in der Schule gelesen, neben Robert Browning und Oliver Wendell Holmes. Und Ernest hat mir
Der jüngste Tag
in einer Zeitschrift gezeigt. Wir waren beide tief beeindruckt davon.«
    »Den Besten erlahmt der Glaube, und die Schlimmsten sind voll von leidenschaftlicher Heftigkeit«, zitierte sie. Und fügte dann hinzu: »Ich frage mich, was Onkel Willy von der leidenschaftlichen Heftigkeit in diesen vier Wänden halten würde.«
    In ihrer schattigen Ecke des Raumes kauerte Ernest buchstäblich zu Pounds Füßen, während dieser ihm einen Vortrag hielt und beim Reden mit der Teekanne in der Hand gestikulierte. Sein rotblondes Haar wurde mit der Zeit immer wilder, und ich verstand, weshalb Lewis Galantière ihn mit dem Teufel verglichen hatte: nicht nur wegen seines Haars und seines satyrhaften drahtigen Kinnbarts, sondern auch aufgrund seiner physischen Wucht. Ich konnte keine einzelnen Worte heraushören, doch es war ein geradezu vulkanischer Redeschwall, den er pausenlos mit Gesten unterstrich und hauptsächlich im Stehen hielt.
    Mir kamen die beiden wie ein merkwürdiges Paar vor, Dorothy so elegant und zurückhaltend und Pound so lärmend, aber sie behauptete, er sei sehr wichtig für ihre Arbeit. Sie war Malerin, und während unseres Gesprächs an jenem Nachmittag zeigte sie mir ein paar ihrer Leinwände. Ich fand sie herrlich, voller Farben und Formen, die so zart und durchscheinendwaren wie Dorothys Stimme und ihre Hände, doch als ich begann, ihr Fragen zu den Bildern zu stellen, erklärte sie rasch: »Sie sollen nicht gezeigt werden.«
    »Oh. Nun, aber hier zeigen Sie sie doch, nicht wahr?«
    »Nur zufällig«, entgegnete sie und präsentierte ein wunderschönes Lächeln, das sie aussehen ließ, als wäre sie gerade einem ihrer Bilder entsprungen.
    Nachdem Ernest und ich uns verabschiedet hatten, traten wir über die schmale Treppe hinaus auf die Straße.
    »Erzähl mir alles«, sagte ich.
    »Er ist sehr laut«, berichtete Ernest, »aber er hat ein paar gute Ideen. Eigentlich sogar richtig große Ideen. Er will Bewegungen gründen, die Literatur formen, Leben verändern.«
    »Dann ist es doch gut, ihn zu kennen«, stellte ich fest. »Pass nur auf, dass du ihn nicht verärgerst. Du wurdest schließlich vor Rothaarigen gewarnt.«
    Wir lachten und gingen ins nächste Café, wo Ernest mir über Brandy und Wasser in dicken Gläsern mehr erzählte. »Er hat ein paar merkwürdige Ansichten über den Verstand von Frauen.«
    »Was denn? Dass sie keinen besitzen?«
    »Etwas in der Art.«
    »Was ist mit Dorothy? Was hält er von ihrem Verstand?«
    »Schwer zu sagen – er hat mir allerdings erzählt, dass sie beide sich mit anderen Liebhabern treffen dürfen.«
    »Wie fortschrittlich«, sagte ich. »Glaubst du, dass das für alle Künstlerehen in Paris gilt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Man kann wohl kaum jemanden dazu zwingen. Man müsste dem schon zustimmen, meinst du nicht?«
    »Tut sie dir leid? Vielleicht gefällt es ihr ja. Vielleicht war es sogar ihre Idee.«
    »Vielleicht, aber wahrscheinlich war es doch andersherum.« Ich nahm einen Schluck Brandy und beobachtete ihn.
    »Na, jedenfalls wird er ein paar meiner Gedichte an Scofield Thayer vom
Dial
schicken.«
    »Keine Storys?«
    »Ich habe noch nichts, das gut genug ist, aber Pound meinte, ich solle ein paar Artikel für amerikanische Zeitschriften schreiben.«
    »Nun, das ist schmeichelhaft.«
    »Das muss einfach der Beginn von etwas sein«, erklärte Ernest. »Pound sagt, er bringe mir das Schreiben bei, wenn ich ihm dafür das Boxen beibringe.«
    »Oh, Gott steh uns bei«, lachte ich.
     
    Unsere

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