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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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beachtete, fand er diese fein herausgeputzten Damen bloß lächerlich.Schließlich zog er in allem das Einfache vor: gutes, ehrliches Essen, ländlichen Wein, Bauern mit einfachen Werten und unkomplizierter Sprache.
    »Ich will nur einen wahren Satz schreiben«, sagte er. »Wenn ich einen Satz pro Tag schaffe, der einfach und wahr ist, dann bin ich schon zufrieden.«
    Er kam gut mit der Arbeit voran, seit wir in Paris waren, und saß gerade an einer Story namens
Oben in Michigan
, die er in unseren Flitterwochen in Windemere begonnen hatte. Sie handelte von einem Schmied und einer Magd in Horton Bay, die sich begegnen und ihre Sexualität entdecken. Er hatte mir den Anfang der Geschichte vorgelesen, worin er die Stadt und die Häuser, den See und die sandige Straße beschreibt und versucht, alles so klar und einfach zu lassen, wie er es in Erinnerung hat. Ich war schockiert davon, wie roh und echt es wirkte.
    Sein Ehrgeiz beim Schreiben war erbittert und allumfassend. Das Schreiben war für ihn, was für andere Menschen die Religion war, und dennoch zögerte er, Sherwood Andersons Empfehlungsschreiben an einen der berühmten Amerikaner in Paris zu schicken. Ich nahm an, er hatte Angst, sie würden ihn kurzerhand abweisen. Er freundete sich lieber mit der Arbeiterklasse von Paris an. Ich sprach ein steifes Schulmädchenfranzösisch, doch er hatte während des Krieges hier und dort ein paar Brocken rauher Umgangssprache aufgeschnappt, die ihm halfen, mit Köchen, Pförtnern und Mechanikern an der Straßenecke ins Gespräch zu kommen. In ihrer Gesellschaft konnte er ganz er selbst sein, ohne das Gefühl, sich verteidigen zu müssen.
    An jenem Abend wollten wir uns allerdings mit Lewis Galantière treffen, einem mit Sherwood Anderson befreundeten Schriftsteller. Lewis kam ursprünglich aus Chicago und arbeitete mittlerweile für die Internationale Handelskammer. Er stand in dem Ruf, einen erlesenen Geschmack zu haben, undals Ernest endlich in seine Wohnung in der Rue Jean Goujon eingeladen wurde, war diese voller teuer aussehender Antiquitäten und Kupferstiche gewesen, die er mir nach seiner Rückkehr detailliert beschrieb. »Alle Tische und Stühle hatten spindeldürre Beine. Ein wenig übertrieben für meinen Geschmack, aber man merkt schon, dass der Mann Stil hat.«
    Ich hatte Angst davor, Galantière kennenzulernen, da ich nicht einmal annähernd elegant war und oft das Gefühl hatte, gar nicht nach Paris zu gehören. Wenn die Frauen in Paris Pfauen waren, dann war ich eine ganz gewöhnliche Henne. Kürzlich hatte ich dem Druck der Mode nachgegeben und mein Haar kurz geschnitten – vielleicht als letzte Amerikanerin überhaupt – und fand es einfach scheußlich. Ich sah nun aus wie ein Junge mit Apfelbäckchen, und auch wenn Ernest behauptete, er liebe mein neues Aussehen, war mir jedes Mal zum Weinen zumute, wenn ich einen Blick in den Spiegel warf. Vorher hatte mein Haar vielleicht unelegant und viktorianisch ausgesehen, aber es hatte nun einmal zu mir gehört – das war ich gewesen. Und was war ich nun?
    Lewis hatte uns zum Dinner ins Michaud eingeladen, ein schickes Restaurant, in das ich bislang nur einen Blick durchs Fenster geworfen hatte. Dort angekommen, blieb ich an der Tür kurz stehen und zupfte verzweifelt an meinen Kleidern herum, doch Ernest schien meine Unsicherheit gar nicht zu bemerken. Er hielt mich am Ellbogen fest und schubste mich sanft, aber nachdrücklich in Lewis’ Richtung: »Und hier ist das wundervolle, schlaue Mädchen, von dem ich dir erzählt habe.«
    »Hadley. Es ist mir eine Ehre und Freude«, verkündete Lewis, während ich knallrot anlief. Ich war immer noch verlegen, aber es tat gut zu wissen, dass Ernest stolz auf mich war.
    Lewis war sechsundzwanzig, gebräunt und drahtig und überaus charmant. Er konnte andere Menschen sehr lustig imitieren, doch als er uns seinen besten James Joyce vorführte,erkannten wir ihn nicht gleich. Wir hatten Joyce mit seinem ordentlich gekämmten Haar, der randlosen Brille und dem unförmigen Mantel zwar ein paar Mal auf der Straße gesehen, ihn aber noch nie reden gehört.
    »Er spricht tatsächlich«, beharrte Lewis, »aber man muss schon etwas Zwang anwenden. Wie ich gehört habe, hat er Hunderte von Kindern.«
    »Ich habe nur zwei Mädchen gesehen«, erwähnte ich.
    »Zwei oder zweihundert, was macht das in Paris für einen Unterschied? Es heißt, dass er ihnen kaum etwas zu essen kaufen kann, aber wann immer man unter der Woche um Punkt

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