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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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Bernsteinen, die zusammen mit schwarzen Korallen und Silber aufgefädelt waren, mitgebracht.
    »Die ist ja wunderschön«, rief ich, als ich die Kette hochhielt.
    »Sie gehörte einem äußerst wichtigen russischen Diplomaten, der mittlerweile kellnert.«
    »Ich hoffe, du hast ihn gut dafür bezahlt.«
    »Das habe ich, und betrunken habe ich ihn auch noch gemacht«, erklärte Ernest, schon fast wieder er selbst.
    Ich wartete ab, ob er noch mehr darüber zu sagen hatte, doch er trank nur seinen Kaffee am Tisch und bat mich um die Zeitung.
    Ich wusste, dass er mich wieder lieb hatte, das war deutlich sichtbar. Egal, was wir beide in den vorangegangenen Wochen empfunden oder über den anderen gedacht haben mochten, diese Zeit war jetzt vorüber. Ich öffnete das Fläschchen mit dem Rosenöl, das eine tiefgelbe Farbe hatte und nach purer Rose roch, nach dem Wesen der Blume selbst. Auch wenn wir es mit Worten nicht beschreiben oder festhalten konnten, so hatte doch das nächste Kapitel unserer Geschichte unbemerkt begonnen.

Zwanzig
    »Sei vorsichtig«, sagte Ernest. »Du weißt, dass du damit dem Teufel die Tür öffnest.«
    »Ach, wirklich?«
    »Das weißt du ganz genau.«
    »Dann soll er doch kommen, solange er in grünen Dunst gehüllt erscheint.«
    Wir waren im Select mit Pound und Dorothy, die wir mittlerweile »Shakespear« nannten. Pound hatte soeben die Leitung eines neuen Verlages namens »Three Mountains« übernommen und wollte unbedingt etwas von Ernest veröffentlichen. An diesem Abend waren wir alle bestens gelaunt, und ich wollte lediglich dieses eine Glas Absinth trinken, zur Feier des Tages.
    »Sie müssen es langsamer angehen«, riet Pound.
    »Muss ich das?«, fragte ich, aber er sprach gar nicht mit mir, sondern mit dem Kellner, der Wasser über einen Zuckerwürfel in den Drink goss, dessen Farbe sich von einem klaren, boshaften Gelbgrün in ein milchiges Weiß verwandelte, als das Wasser hineintropfte. Absinth war in Frankreich schon seit Jahren verboten, genau wie Opium – dennoch fand man beides überall in Paris, wenn man nur wusste, wo man suchen sollte. Ich liebte den feinen Lakritzgeschmack und das Ritual mit dem Würfelzucker und dem perforierten Löffel, der Regentropfen über dem Glas erschuf, Zuckertropfen. Ich fand, dass unser Kellner es ganz vorzüglich machte, doch Pound entriss ihm den Wasserkrug unsanft und übernahm die Aufgabe selbst.
    »Darling, du bist betrunken«, flüsterte ihm Shakespear höflich zu.
    »Ich versuche gerade, mir dich betrunken vorzustellen«, sagte Ernest zu ihr. »Ich wette, dir geht nie auch nur ein Tropfen daneben.«
    Sie lachte. »Das liegt wohl daran, dass ich keinen Absinth anrühre.«
    »Es schmeckt wie Rauch und Lakritz«, erklärte ich.
    »Morgen wirst du dir wünschen, es wäre nur das gewesen«, gab Ernest zurück.
    »Vielleicht, aber für den Moment macht es alles einfacher, nicht wahr?«
    »Ja, das stimmt«, gab Ernest zu und stieß mit seinem Glas gegen meins. »Also trinken wir, und zur Hölle mit morgen.«
    »Recht so«, sagte Pound, der sich in seiner zerknitterten Tweedjacke vorbeugte und seine Ellbogen auf dem Tisch abstützte. Mit der Zeit konnte ich ihn immer besser leiden – doch wen mochte ich schon nicht? Gerade hatte ich das Gefühl, ich könnte mich in unseren Kellner verlieben. Er hatte den hübschesten Schnurrbart, ungewichst und so rein und frisch wie eine Blüte. Ich wollte ihn anfassen oder aufessen.
    »Du solltest dir auch so einen Schnurrbart wachsen lassen«, sagte ich und deutete nicht gerade unauffällig auf den Mann.
    »Liebes, das habe ich doch. Meiner sieht ganz genauso aus.«
    Ich sah ihm geradewegs ins Gesicht. »Stimmt ja«, sagte ich. »Wo bist du bloß gewesen?« Und wir lachten alle.
    Später, als wir ins Dôme weitergezogen waren, lenkte Pound das Gespräch auf die Staaten.
    »Ich würde nie im Leben in den Mittleren Westen zurückkehren«, verkündete er. »Ich will damit nichts mehr zu tun haben. In Indiana leben nur Pedanten und Idioten.«
    »Schon wieder die alte Leier«, äußerte sich Shakespear in ihrem leisen, perfekten Flüsterton.
    Ich betrachtete mich in dem langen Rauchglasspiegel und berührte zuerst mein Gesicht, dann das Glas. »Ich kann gar nichts fühlen«, sagte ich zu Ernest. »Ist das nicht großartig?«
    »Trink noch einen, Tatie«, erwiderte er. »Du bist wunderschön.«
    Shakespear lächelte uns mit ihren geschwungenen Lippen zu, und auch ihre Augen lächelten. »Sieh dir diese beiden

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