Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
Vom Netzwerk:
Ernest eines Abends. »Seit Mailand geht mir das im Kopf herum. Würde es dir etwas ausmachen?«
    »Ich weiß nicht. Was versprichst du dir denn davon?«
    »Gar nichts. Ich will nur, dass sie erfährt, dass ich glücklich bin und dass ich an sie denke.«
    »Und dass deine Karriere genauso anläuft, wie du es vorhergesagt hast.«
    Er lächelte. »Das ist nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.«
    »Schick deinen Brief ab.«
    »Gut«, sagte er. »Das habe ich bereits.«
    Eifersucht flackerte in mir auf. »Du warst dir so sicher, dass es mir nichts ausmachen würde?«
    »Vielleicht. Und selbst wenn doch, wusste ich, dass ich dich davon überzeugen können würde, dass es in Ordnung ist. Es ist ja schließlich nur ein Brief, und wir beide haben einander.«
    »Das hat Shakespear letztens auch gesagt.«
    »Shakespear? Was weiß die denn schon von der Liebe?«
    »Womöglich mehr als wir, weil sie selbst sie nicht besitzt. Sie steckt nicht mittendrin.«
    »Aus genau diesem Grund kann ich nicht über Paris schreiben, weil es überall um mich herum ist.«
    »Also schreibst du über Michigan.«
    »Es fühlt sich so nah an. Als könnte ich es niemals verlieren.« Er saß über das Notizbuch mit der Arbeit dieses Tages gebeugt, das vor ihm auf dem Tisch lag. Seine Hand ruhte auf den Seiten, seine Finger fuhren über die schräg zulaufenden Zeilen. »Aber es geht nicht nur um den realen Ort. Ich erfinde ihn dabei auch neu, und das ist eigentlich das Beste daran.«
    Über seinen Schreibtisch hatte er eine hellblaue Karte von Nord-Michigan gehängt, auf der alle wichtigen Orte verzeichnet waren: Horton Bay, Petoskey, Walloon Lake, Charlevoix. Überall dort hatte Ernest, aber auch Nick Adams, Bedeutendes erlebt. Ernest und Nick waren nicht dieselbe Person, doch sie wussten dieselben Dinge, etwa wo und wann man nach Ködern suchen musste und was einem die Bewegung des Wassers über den Aufenthaltsort der Forellen verriet. Sie kannten sich mit überraschendem nächtlichem Granatfeuer aus undhatten mitangesehen, wie ein geliebter Ort in Flammen aufging, ausgehöhlt wurde und sich verwandelte. Nick war nicht in bester psychischer Verfassung, und man spürte den Druck, der sich in ihm aufbaute, in einer Story wie
Großer doppelherziger Strom
ganz deutlich, auch wenn Ernest ihn nie direkt damit konfrontierte oder das Problem beim Namen nannte.
    »Ich finde deine Michigan-Storys großartig«, bekundete ich.
    Er blinzelte mich durch das Kerzenlicht auf dem Tisch hindurch an. »Wirklich?«
    »Ja, natürlich.«
    »Manchmal frage ich mich, ob du überhaupt möchtest, dass ich schreibe. Es scheint mir, als ob du dich einsam fühlst, wenn ich arbeite.«
    »Nicht das Schreiben macht mich einsam, sondern die Tatsache, dass du dann immer fort bist. Du hast schon so lange nicht versucht, hier zu arbeiten. Vielleicht würde es ja mittlerweile funktionieren und dann könnte ich dich sehen. Ich würde auch keinen Laut von mir geben oder dich irgendwie stören.«
    »Du weißt, dass ich rausgehen muss, um irgendetwas zustande zu bringen.« Er klappte das Notizbuch zu, legte den Bleistift darauf und rollte ihn mit den Fingerspitzen vor und zurück. »Ich muss allein sein, um mit dem Schreiben zu beginnen, aber wenn ich tatsächlich ganz allein wäre, würde es auch wieder nicht gehen. Ich muss diesen Ort verlassen und wieder zurückkehren und mit dir reden können. So wird es erst real und bleibt haften. Kannst du das verstehen?«
    »Ich denke schon.« Ich stellte mich hinter ihn, legte ihm den Kopf auf die Schulter und rieb mein Gesicht an seinem Hals. Die Wahrheit war, dass ich es im Grunde nicht verstand. Und das wusste er.
    »Womöglich kann niemand verstehen, wie es für irgendeinen anderen ist.«
    Ich richtete mich auf und ging ans Fenster hinüber, hinter dem sich der Regen in Strömen ergoss und auf dem Fensterbrett sammelte. »Ich bemühe mich.«
    »Ich auch«, erwiderte er.
    Ich seufzte. »Ich vermute, es wird den ganzen Tag lang regnen.«
    »Mach dir doch nichts vor. Es wird den ganzen Monat lang regnen.«
    »Vielleicht auch nicht.«
    Er schenkte mir ein Lächeln. »Na gut, Kleines. Vielleicht auch nicht.«

Einundzwanzig
    Kurz vor Thanksgiving 1922 schickte der
Star
Ernest nach Lausanne, um von den Friedensgesprächen zu berichten, die den territorialen Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei beilegen sollten, der Auslöser für die schrecklichen Ereignisse in Smyrna gewesen war und generell dafür gesorgt hatte, dass die beiden Länder

Weitere Kostenlose Bücher