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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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einander seit gut drei Jahren bekriegten. Ernest stand die Nervosität ins Gesicht geschrieben, als er das Telegramm erhielt. Er war kaum imstande, es zu öffnen, und ich kannte den Grund dafür. Noch so einen Streit wie beim letzten Mal würden wir nicht überstehen. Er könnte unser Ende bedeuten.
    »Lausanne«, sagte er schließlich. »Wir haben genug Geld. Du fährst mit mir.«
    »Das muss ich nicht unbedingt«, erwiderte ich. »Ich kann mich diesmal zusammenreißen.«
    »Nein«, entgegnete er. »Ich will, dass du mitkommst.«
    Ich war erleichtert, dass er darauf bestand, und sagte zu. Doch als die Reise bevorstand, lag ich krank mit schwerem, schmerzendem Kopf im Bett. Ich konnte nichts zu mir nehmen, ohne mich gleich danach zu übergeben. Wir beschlossen, dass er allein fahren sollte und dass ich nachkommen würde, sobald ich dazu in der Lage wäre. Zufälligerweise war meine alte Freundin Leticia Parker aus St. Louis gerade in Paris und versprach, mich jeden Tag zu besuchen und sich während Ernests Abwesenheit um mich zu kümmern. Es würde diesmal nicht wieder so werden wie bei seinen Reisen in die Türkei oder nach Genua.
    Ich fühlte mich erst Anfang Dezember kräftig genug, um zu ihm zu stoßen. Ich packte glücklich meinen Koffer, da ichwusste, dass mich nach Ernests Reporterauftrag ein langer Skiurlaub in Chamby erwartete, wo wir Weihnachten gemeinsam mit Chink verbringen würden. Danach wollten wir durch Italien und Spanien reisen. Erst nach vier Monaten würden wir nach Paris zurückkehren, und ich war mehr als bereit für eine hübsche lange Pause von der Kälte und Nässe. Ich hatte eine Woche lang das Bett nicht verlassen und wusste nicht, ob ich genügend Kraft zum Skifahren haben würde, aber ich wollte es um jeden Preis versuchen.
    Neben unserem regen Austausch über unsere Reisepläne hatte mir Ernest auch in einem Telegramm mitgeteilt, dass der Journalist Lincoln Steffens, den er aus Genua kannte, ebenfalls in Lausanne war und sich ganz begeistert von seinen Berichten zeigte. Er wollte alles lesen, was Ernest bislang geschrieben hatte, doch dieser hatte lediglich
Mein Alter
bei sich, eine Story über einen abgewirtschafteten Jockey und seinen Sohn. Steffens fand die Geschichte großartig und verglich sie mit Sherwood Anderson. Ernest wollte zwar mit niemandem verglichen werden, schon gar nicht mit Anderson, der sein Freund und Vorbild war, doch es versöhnte ihn, dass Steffens angeboten hatte, die Story an einen befreundeten Redakteur bei
Cosmopolitan
zu schicken. Bisher hatte Ernest erst einen einzigen Text veröffentlicht, in einem kleinen Kunstmagazin aus New Orleans namens
Double Dealer
. Ansonsten hatte er nichts als das Versprechen Pounds, etwas bei Three Mountains zu publizieren. Das hier war vielversprechender und ziemlich aufregend.
    Beim Packen überlegte ich, wie lange wir fort sein würden und wie dringend Ernest wieder an seine Storys und den Roman zurückkehren wollen würde. Bestimmt wollte er Steffens auch noch mehr von seiner Arbeit zeigen. Also ging ich an den Schrank im Esszimmer, in dem Ernest all seine Manuskripte aufbewahrte. Ich sammelte alles zusammen und stecktees in eine kleine Reisetasche. Es sollte meine Überraschung für ihn werden, und ich verließ die Wohnung in bester Stimmung.
    Auf dem Gare de Lyon herrschte Hektik, doch ich hatte dort noch nie etwas anderes erlebt. Gepäckträger in roten Jacken hasteten vorbei an den gewachsten Holzbänken, den dekorativen Palmen und den gut gekleideten Reisenden, die erwartungsvoll den Heimweg oder eine Reise antraten. Am nächsten Morgen würde ich wieder mit Ernest vereint sein, und alles wäre gut, das waren meine einzigen Gedanken, als ich mich rasch durch den Bahnhof bewegte und einem Träger mein Gepäck übergab. Er half mir in den Zug, hob den großen Koffer mit meinen Kleidern auf die Gepäckablage und stellte die Reisetasche unter meinen Sitz, wo ich leicht auf sie zugreifen konnte. Der Zug war beinahe menschenleer. Bis zur Abfahrt dauerte es noch eine halbe Stunde, also stieg ich noch einmal aus, um mir die Beine zu vertreten und eine Zeitung zu kaufen. Ich schlängelte mich durch die Menschenmengen, vorbei an den Verkäufern, die Äpfel, Käse und Evian-Wasser sowie Decken und Kissen, eingewickelte warme Sandwiches und kleine Reiseflaschen mit Brandy anboten. Als der Schaffner alle Reisenden bat einzusteigen, eilte ich mit den anderen Passagieren zurück zum Zug und fand mein Abteil genauso vor, wie ich es

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