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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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Turteltäubchen an«, sagte sie, an Pound gerichtet.
    »Wohlgemerkt, Indiana war schon immer eine intellektuelle Wüste«, fuhr dieser unbeirrt fort und blies dann einen Rauchring, der sich ein paar Mal drehte, bevor er von all dem Rauch im Raum verschluckt wurde, dem blauen Heiligenschein, der überall zugleich war, sich immer wieder vermischte und verschwamm. Wir alle atmeten ihn stetig ein und aus.
    »Sie haben dort nichts außer ihrer moralischen Überlegenheit«, erklärte er. »Ansonsten ist da weit und breit nichts. Als ich in Wabash gelehrt habe, war das ein völlig nutzloses Unterfangen. Was wollten diese jungen Leute mit nichts als Stroh im Kopf schon von mir hören? Bestimmt nichts von Yeats, so viel ist klar. Sicher keine Gedichte.«
    »Wobei die Schauspielerin ja durchaus ein wenig poetisch veranlagt war«, warf Shakespear ein.
    »Die köstlichsten Knie, die ich je an einer Frau gesehen habe«, erklärte Pound.
    »Sprich nur weiter. Ich werde schon ganz hungrig«, erwiderte Ernest.
    »In jener Nacht regnete es – intellektuell gesehen, regnet es in Indiana ständig, wenn du verstehst, was ich meine – und diese Schauspielerin … wie hieß sie noch gleich?«
    »Bertha«, antwortete Shakespear.
    »Nicht Camille?«, fragte Ernest.
    »Nein, nein. Nun, sie war nicht etwa schwindsüchtig. Sie wollte nur nicht, dass ihr Haar nass wird. Sie hatte prächtigesHaar. Ich schlug vor, essen zu gehen, doch da war eben dieses Feuchtigkeitsproblem.«
    »Eins meiner Lieblingsprobleme«, fiel Ernest ein.
    Alle lachten, und Pound fuhr fort: »Als sich herumsprach, dass ich sie in meinen eigenen vier Wänden verköstigt habe, hätte man denken können, ich hätte das Mädchen umgebracht, statt ihr ein gebratenes Hühnchen zu servieren.«
    »Der arme Ezra«, sagte Shakespear. »Gleich am nächsten Tag haben sie ihn gefeuert.«
    »Von wegen armer Ezra. Sonst wäre ich ja immer noch in Indiana und würde versuchen, den Maiskolben dort Lyrik beizubringen.«
    »Und ab und an ein Hühnchen braten«, ergänzte ich.
    »Nicht mal Hühner können dich vor Indiana schützen«, sagte Ernest.
    Spät an diesem Abend, nachdem wir vom Dôme ins Ritz gewechselt waren, begannen Ernest und Pound eine hitzige Diskussion über die Verdienste von Tristan Tzara. Pound war der Meinung, die Surrealisten könnten tatsächlich ein paar wesentliche Erkenntnisse zu Tage fördern, wenn sie nur lange genug träumen würden. Ernest hielt sie für Dummköpfe, die ebenso gut aufwachen könnten, damit wir uns endlich allesamt anderen Dingen zuwenden konnten.
    »Ich schlafe gleich ein, wenn ich euch so zuhöre«, erklärte Shakespear, und wir beide setzten uns gemeinsam auf der anderen Seite des Raumes an einen kleinen Tisch.
    »Du und Hem seid wirklich wunderbar zusammen«, sagte sie.
    »Findest du?« Ich trank seit einer Stunde nur noch warmes Wasser und konnte endlich meine Zunge wieder spüren.
    »Ich frage mich immer, wie das passiert. Die Liebe.« Sie berührte ihr geschwungenes Haar, das immer noch perfekt saß.
    »Du und Pound, liebt ihr euch etwa nicht?«
    »Oh, nein.« Sie lachte mit einem kleinen Schnaufen. »Wir haben allerdings, was wir haben.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dich richtig verstehe.«
    »Das weiß ich selbst nicht.« Sie lachte bitter auf, verstummte dann und rührte in ihrem Drink.
     
    Im Oktober war das Wetter noch einmal herrlich, und auch wenn wir wussten, dass die kalte, feuchte Jahreszeit nur allzu bald beginnen würde, gingen wir ganz in dem auf, was wir hatten, und fühlten uns froh und stark. Ernest kam gut mit dem Nick-Adams-Roman und einigen neuen Storys voran. Er sah die Bücher, die daraus entstehen konnten, so deutlich vor sich, dass es schien, als existierten sie bereits. In unserem Freundeskreis glaubten alle daran, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis er groß herauskäme.
    »Du erschaffst etwas Neues«, erklärte Pound ihm eines Tages in seiner Wohnung. »Vergiss das nicht, wenn es einmal schmerzhaft wird.«
    »Nur das Warten ist schmerzhaft.«
    »Das Warten hilft dir, alles auf das richtige Maß zurechtzustutzen. Das ist wichtig, und es ist dabei äußerst hilfreich, dass es weh tut.«
    Ernest hob diese Lebensweisheit genauso auf wie alles andere, was Pound sagte.
    Schon bald veränderte sich am späten Nachmittag das Licht in den Straßen, wurde schwächer und blasser, und wir fragten uns, ob wir bereits für den langen Winter gerüstet waren. »Ich habe daran gedacht, Agnes zu schreiben«, erzählte mir

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