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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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so sicher, dass es ein Junge wird?«
    »Was sollte es denn sonst werden?«
    Wir planten also, im Juli gemeinsam zur Fiesta de San Fermin nach Pamplona zu fahren, wo Gertrude und Alice im Jahr zuvor gewesen waren. Dort sollte die beste Stierkampfarena der Welt sein, in der die mörderischsten Stiere auf die begabtesten Toreros trafen. Auch wenn ich nichts als Aufregung kundtat, war Ernest davon überzeugt, mich auf die Gewalt vorbereiten zu müssen.
    »Nicht jeder hält das gut aus«, erklärte er. »McAlmon hat seinen ersten Stierkampf nur mit Unmengen von Brandy ertragen können. Jedes Mal, wenn der Stier sich auf die Pferde stürzte, wurde er grün im Gesicht. Er meinte, er könne nicht verstehen, wie irgendjemand Freude daran haben konnte, und dass dieser Mensch doch geistesgestört sein müsse.«
    »Ich schätze mal, ihr beide seid einfach nicht dazu bestimmt, Freunde zu sein.«
    »Schon möglich, aber wie es aussieht, werden er und Annie ein Buch mit meinen Storys herausbringen. Vielleicht auch mit Storys und Gedichten.«
    »Wirklich? Warum willst du ihn das Buch machen lassen, wenn du ihn so unerträglich findest?«
    »Irgendjemand muss es ja tun. Und ich muss das verdammte Zeug jetzt nur noch schreiben.«
     
    Ganz Pamplona war auf den Beinen, als unser Bus mitten in der Nacht durch das Tor in der Stadtmauer fuhr. Die Straßen waren so überfüllt, dass es mir wie ein Wunder erschien, dass der Bus überhaupt vorankam, doch die Tänzer bewegten sich in einer Wellenbewegung vom Knattern des Motors fort und schlossen die Lücke gleich wieder, nachdem wir eine Stelle passiert hatten. Wir erklommen die schmalen Gassen bis zu einem großen Platz. Dort herrschte ein solches Durcheinander aus Klängen und Bewegung – herumwirbelnde Tänzer, trommelnde und flötende Musiker, Feuerwerke, die mit lautemKnall explodierten und weißen Rauch zurückließen –, dass wir darin fast unser Gepäck verloren. Als wir es wieder sicher in der Hand hielten und unser Hotel betreten hatten, erfuhren wir, dass unsere Zimmer, die Ernest schon vor Wochen reserviert hatte, vergeben worden waren.
    Wir verließen das Hotel also wieder, und Ernest bat mich, auf ihn zu warten, während er nach einer Unterkunft suchte. Ich sah zu, wie er in der Menge verschwand, und hegte wenig Hoffnungen, dass er ein Zimmer ergattern und dann auch noch zu mir zurückfinden würde. Die Straßen selbst schienen sich zu verschieben. Ich lehnte mich gegen eine breite Steinmauer und versuchte meinen Platz zu behaupten, während blauweiß gekleidete Tänzer an mir vorbeiwirbelten. Die Frauen trugen ausgestellte Tellerröcke. Sie umkreisten sich, schnipsten mit den Fingern und stampften mit ihren schwarzen Absätzen aufs Kopfsteinpflaster. Ihr wunderschönes Haar trugen sie offen. Manche hatten Tambourine oder Glöckchen bei sich, und auch wenn die Musik in meinen Ohren schrill und chaotisch klang, schienen die Frauen darin einen klaren Rhythmus zu vernehmen, zu dem sie sich in perfektem Gleichklang bewegten, die Beine hochwarfen und die Arme durch die Luft kreisen ließen. Die Männer trugen blaue Hemden und Hosen sowie rote Halstücher und tanzten in großen Gruppen miteinander. Sie riefen sich fröhliche Laute zu, die sogleich vom Lärm um sie herum verschluckt wurden. Etwas in dieser Art hatte ich noch nie zuvor erlebt.
    Irgendwie fand Ernest sich in diesem Wahnsinn zurecht. Er sammelte mich auf und brachte mich in ein privates Haus in der Nähe, in dem er uns ein Zimmer gesichert hatte, da alle Hotels ausgebucht waren. Dort zahlten wir für sechs Nächte zweimal so viel, wie unsere Miete in Paris für einen Monat betrug.
    »So viel?«, fragte ich, da mir bei der Summe ein wenig übel wurde. »Wovon sollen wir uns das denn leisten?«
    »Kopf hoch, Tiny. Wir bekommen das alles in Skizzen zurückbezahlt. Ich muss hier sein. Das fühle ich ganz stark.«
    Seinem Instinkt konnte ich nichts entgegensetzen, außerdem konnte ich kaum mehr stehen, daher bezogen wir das Zimmer dankbar. Wir hätten jedoch genauso gut auf der Straße bleiben können, wie alle anderen in jener Nacht. Die ganze Stadt hatte ein volles Jahr lang auf diese Woche, diese Nacht der Freude gewartet. Die Menschen konnten scheinbar endlos tanzen, und ich überlegte, wie komisch es war, dass wir ausgerechnet hierher gekommen waren, um dem Chaos des französischen Unabhängigkeitstags in Paris zu entgehen.
    Gegen sechs Uhr morgens gab ich schließlich die Hoffnung auf, zur Ruhe zu kommen, und stieg

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