Madame Hemingway - Roman
dennoch weiter, da ich nicht bereit war, diesen Teil von mir aufzugeben.
Währenddessen kam Ernest besser mit der Arbeit voran als je zuvor. Der Druck, den er verspürt hatte, nachdem wir aus Toronto nach Paris geflohen waren, schien ihm den nötigen Anstoß gegeben zu haben, denn er schrieb nun voller Energie und fast ohne Selbstzweifel. Die Storys sprudelten nur so aus ihm heraus, und er konnte kaum mit seinen Ideen mithalten.
Er führte seine herausgeberische Arbeit für die
Transatlantic
fort, und auch wenn er seinen Chef immer noch harsch kritisierte, setzte Ford sich unerschütterlich für Ernests Arbeit ein. Als Ernest ihm von seiner Angst erzählte, dass es Jahre dauern würde, bis sein Name einmal etabliert wäre, erklärte Ford, das sei Unsinn.
»Für dich wird alles ganz schnell gehen. Als Pound mir deine Arbeiten zeigte, wusste ich auf Anhieb, dass ich alles von dir veröffentlichen würde. Wirklich alles.«
Ernest nahm das Kompliment leicht beschämt an und versuchte von da an, Ford milder zu beurteilen, vor allem, weil er ihn dazu bringen wollte, Gertrudes Roman
The Making of Americans
zu veröffentlichen, der seit 1911 in ihrer Schreibtischschublade lag. Ford war schließlich bereit, den Text in Fortsetzungen abzudrucken, und Gertrude war begeistert. Es würde ihre erste größere Veröffentlichung sein, und die Zeitschrift gewann gerade beträchtlich an Bedeutung und fand in ihren Kreisen immer mehr Leser. Ihre Arbeit würde in der Aprilausgabe neben Auszügen aus dem neuen Werk stehen, an dem Joyce gerade arbeitete und aus dem später
Finnegans Wake
werden sollte, neben mehreren Texten von Tristan Tzara sowie neben einer neuen Story von Ernest. Sie hieß
Indianerlager
und beschrieb in grauenhaften Details, wie eine Frau ein Kind auf die Welt bringt, während ihr Mann sich selbst den Hals aufschlitzt, weil er ihre Schreie nicht erträgt. Ernest war sehr zufrieden damit, da er in der Lage gewesen war, eine Kindheitserinnerung an seinen Vater, der das Baby einer Indianerin auf die Welt geholt hatte, mit der Erinnerung an das Flüchtlingspaar auf der Straße nach Karagatsch zu verbinden und daraus eine einzelne starke Geschichte zu weben.
»Joyce weiß, wie es geht«, behauptete er eines Nachmittags, als er von der Arbeit an der Ausgabe zurückkehrte. »Er hat Bloom erfunden, und Bloom ist das Beste, was man finden kann. Genau so muss man das Leben verarbeiten. Man muss es in seine Einzelteile zerlegen und es durch und durch lieben. Im Grunde muss man es mit seinen Augen leben.«
»Du kannst es so schön erklären.«
»Ja, aber man kann reden und reden und es doch nicht hinbekommen. Man muss es tun.«
Die Aprilausgabe beinhaltete ebenfalls die erste größere Rezension seiner
Three Stories and Ten Poems
, die generell begeistert Ernests Talent und Schreibstil lobte. Es hieß darin, ersei dabei, etwas Neues zu erschaffen, und man solle ihn im Auge behalten. Ich war so glücklich, zu sehen, dass er sich langsam einen Namen machte. Wo wir auch hingingen, schienen die Leute seine Nähe zu suchen. Wenn wir nachts den Boulevard entlangliefen, vorbei am Surren der Gespräche und der blechernen Musik, rief irgendjemand seinen Namen, und wir mussten anhalten und uns auf einen Drink einladen lassen, bevor wir in das nächste Café weiterzogen, wo das Gleiche passierte. Jeder wollte ihm einen Witz oder eine Neuigkeit erzählen, und unser Bekanntenkreis wuchs Tag für Tag.
John Dos Passos, den Ernest bei der Arbeit für das Rote Kreuz in Italien kennengelernt hatte, war zurück in Paris, getragen von der Welle seines literarischen Erfolgs und immer bereit, sich zu amüsieren. In dieser Zeit lernten wir auch Donald Stewart kennen. Er war der Humorist, der später einmal mit Drehbüchern für Filme wie
Die Nacht vor der Hochzeit
bekannt werden würde, im Augenblick jedoch nur ein lustiger Kerl war, der in einem schicken cremefarbenen Anzug an der Bar stand. Ernest war stolz auf seine schlampige Schriftstellerkluft, doch mich konnte man durchaus einmal dabei erwischen, wie ich frisch gebügelte Hosen bewunderte. Und Dons waren perfekt. Außerdem stand ihm seine jugendliche, glatt rasierte Art sehr gut und passte zu seinen leuchtend blauen, lachenden Augen.
Als Ernest uns vorstellte, ging Don gleich ganz wunderbar vertraut mit mir um. »Sie haben sehr schönes Haar«, sagte er. »Was für eine außergewöhnliche Farbe.«
»Danke. Und Sie sind sehr schön angezogen.«
»Meine Mutter legte immer Wert auf gute
Weitere Kostenlose Bücher