Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
Vom Netzwerk:
nebenbei von einer stinkreichenFamilie abstammte. Kitty verfügte allerdings ebenfalls über ein Erbe und hätte auch selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Überdies war sie ausgesprochen selbstbewusst und brachte in jeder ihrer Bewegungen und Äußerungen zum Ausdruck, dass sie niemanden brauchte, der ihr sagte, wie schön und wertvoll sie sei. Das wusste sie selbst am besten, und diese Unerschütterlichkeit machte Ernest nervös.
    Doch auch wenn sie zu Hause Spannungen hervorriefen, kämpfte ich für meine Nachmittage mit Kitty, da sie seit St. Louis die erste Freundin war, die ich ganz für mich allein besaß. Gertrude und Sylvia hatten immer Ernest gehört, daran hatte er keinen Zweifel entstehen lassen. Mit Alice und Maggie Strater und selbst mit Shakespear blieb es eine Freundschaft unter Künstlergattinnen. Kitty war zwar mit Harold liiert, den Ernest mittlerweile häufig traf, doch sie führte auch ein sehr eigenständiges Leben. Und sie hatte mich ausgewählt.
    »Du bist ein ziemlich
amerikanisches
Mädchen, weißt du das?«, fragte sie mich bei einer unserer ersten Begegnungen.
    »Wie meinst du das? Du bist doch auch Amerikanerin«, erwiderte ich.
    »Nicht so wie du. Es steckt in allem, was du sagst, und du bist immer so direkt und einfach.«
    »O Gott, du versuchst mir gerade nur auf nette Weise mitzuteilen, wie wenig ich nach Paris gehöre«, entgegnete ich.
    »Du gehörst wirklich nicht hierher«, bestätigte sie. »Aber das ist gut so. Wir brauchen jemanden wie dich, der uns die Wahrheit über unser Leben erzählt.«
    Abgesehen von Ernests Nörgelei, war das einzige Hindernis für unsere Freundschaft ihre Angewohnheit, mir unablässig Geschenke machen zu wollen, auch nachdem ich lang und breit versucht hatte, ihr die Komplexität von Ernests Stolz darzulegen.
    »Das ist doch nur eine Kleinigkeit«, drängte sie. »Was soll ihm das schon ausmachen?«
    »Es würde ihm aber etwas ausmachen. Tut mir leid.«
    »Das klingt für mich nach ziemlich steinzeitlichem Verhalten. Solange er dich in Tierhäute gehüllt an der Feuerstelle stehen lässt, wird dich kein anderer Mann sehen und schon gar nicht begehren.«
    »Nein, so ungehobelt ist er nicht. Wir müssen einfach nur sparen. Und das Opfer ist für mich nicht allzu groß.«
    »Schön, ich verstehe. Aber das ist eben genau mein Problem mit der Ehe. Du leidest für
seine
Karriere. Und was kommt am Ende für dich dabei heraus?«
    »Das befriedigende Gefühl, dass er es ohne mich nicht geschafft hätte.«
    Sie wandte sich von der perlenbesetzten Handtasche ab, die sie gerade bewunderte, und fixierte mich mit ihren hellblauen Augen. »Weißt du, dass ich dich wirklich verehre? Du darfst dich auf gar keinen Fall ändern.«
     
    Auch wenn es schockierend unmodern und wahrscheinlich auch naiv war, glaubte ich fest daran, dass Ernests Karriere jeden Verzicht und jede Schwierigkeit in unserem Leben wert war. Dafür waren wir schließlich nach Paris gekommen. Doch es war nicht einfach, zuzusehen, wie meine Kleider auseinanderfielen, und mich nicht dafür zu schämen. Insbesondere, da Frauen sich zu jener Zeit so wahnsinnig chic anzogen. Aber ehrlicherweise glaubte ich auch nicht, dass ich je mit ihnen hätte mithalten können, selbst wenn wir nicht so knapp bei Kasse gewesen wären.
    Unsere Wohnung war kalt und feucht, und ich verspürte häufig einen dumpfen Schmerz in meinen Nebenhöhlen. Und obwohl wir Bumbys Kinderbett in die wärmste Ecke der Wohnung stellten, wurde er krank. In diesem Frühjahr stecktenwir uns immer wieder gegenseitig mit einem hartnäckigen Husten an, der seinen Schlaf störte. Er wachte immer wieder schreiend auf und wollte gestillt werden. Tagsüber, wenn ich ausgeruht war, liebte ich diese Aufgabe, aber nachts raubte sie mir alle Energie. In dieser Zeit brauchte ich meine Ausflüge mit Kitty am dringendsten. Hin und wieder ging ich auch im schwachen Sonnenschein mit Stella Bowen und Julie spazieren, die mir ebenfalls ans Herz gewachsen waren.
    Außerdem versuchte ich, mir jeden Tag mindestens eine Stunde zum Klavierspielen freizuhalten. Wir konnten es uns nicht leisten, ein Klavier zu kaufen oder auch nur wie vorher eins zu mieten, also spielte ich auf einem verstimmten Instrument in dem feuchten Keller eines nahegelegenen Musikgeschäfts. Ich musste eine Kerze anzünden, um die Notenblätter zu lesen, und meine Finger wurden oft vor Kälte ganz steif. Manchmal schien es die ganze Mühe nicht wert zu sein, aber ich machte

Weitere Kostenlose Bücher