Madame Mystique
betreten...
***
Erst die Pferde, jetzt die beiden Eulen!
Maxine Wells verstand die Welt nicht mehr. Was war plötzlich mit den Tieren los? Taten sie nichts mehr aus eigenem Antrieb und Instinkt? Standen sie unter der Knute eines Menschen, der es geschaffte hatte, sie zu manipulieren?
Selbst ihr als Tierärztin fehlte das Verständnis. Sie fühlte sich nur noch tiefer in der Falle steckend, denn die beiden Vögel mit den großen Augen und den krummen, spitzen Schnäbeln waren die perfekten Wächter. Sie brauchten nur auf den beiden Schulterstücken sitzen zu bleiben und Acht zu geben. Bei jeder falschen Bewegung würden sie sofort mit ihren Schnäbeln zuhacken.
Nachdem Maxine den ersten Schock überwunden hatte, gelangte sie allmählich zu dem Schluss, dass sie alles falsch gemacht hatte. Sie hätte im Zimmer bleiben und dort auf John Sinclair warten sollen. Stattdessen hatte sie sich vor ihrer Neugierde treiben lassen, und genau das war verkehrt gewesen.
Perfekter konnte eine Falle nicht sein. Sie ahnte auch, dass dies erst der Anfang war, denn es würde weitergehen, davon war sie überzeugt. Die andere Seite hatte sich alles so genau ausgedacht, und wenn sie weiterdachte und über das unbekannte Motiv nachgrübelte, dann kam es ihr vor wie eine Rache.
Tabea Ryder, die Autorin, die Freundin der Tiere, wollte schlichtweg Rache an ihr nehmen.
Warum? Was hatte sie getan? Maxine wusste es nicht. Sie hatte nur mit der Frau telefoniert und sie um Rat gefragt. Das Motiv musste woanders liegen, aber Maxine war sich keiner Schuld bewusst.
Allmählich merkte sie auch das Gewicht der beiden Eulen. Sie kamen ihr schwer sie Steine vor. Sie bewegten sich auch nicht. Die Krallenfüße waren gebogen und klammerten sich an den vorderen Seiten der Schultern fest. Mit irgendwelchen Geräuschen würde Maxine sie nicht vertreiben können, das stand fest. Sie musste darauf warten, dass sich Tabea Ryder zeigte und erklärte, wie es weiterging.
Die Tierärztin schluckte. Trotzdem bekam sie das Kratzen aus ihrem Hals nicht weg. Das Herz hörte sie laut schlagen. Sie spürte auch die Hitze, die in ihr hochstieg, und ihr Gesicht glühte.
Um sie herum hatte der Nebel die Welt verändert. Es gab nur wenig Licht an der Rückseite, und die Lampen waren auch erst vor kurzem eingeschaltet worden. Auf dem Hinweg hatte sich die Tierärztin durch das Dunkel tasten müssen.
Sie wartete. Sie nahm den Geruch der Vögel wahr. Sie hielt die Augen weit offen, schaute in den Nebel hinein, um etwas zu erkennen. Sie wusste ja, dass sie hier nicht ewig würde stehen können, es musste was passieren.
Der Ablauf der Zeit hatte sich für die Frau verändert. Was in Wirklichkeit sehr kurz war, kam ihr unheimlich lang vor.
Die Frauenstimme drang aus dem Nebel an ihre Ohren. »Nicht bewegen Maxime, sonst hacken meine Freunde dir die Augen aus!«
Mit dieser Aussage hatte die Frau voll ins Schwarze getroffen. Maxine ärgerte sich darüber, dass sie so etwas überhaupt dachte und nicht fähig war, Tabea eine entsprechende Antwort zu geben, aber in diesen schrecklich langen Momenten hatte sich bei ihr alles verändert. Sie kam sich nicht mehr vor wie ein Mensch, sondern wie eine Figur, die durch andere Personen ferngelenkt wurde.
Es war nicht mehr nötig, dass sie die Augen weit offen hielt. Auch mit ihrem normalen Blick sah sie die Bewegung vor sich. Da wurde der Nebel geöffnet wie ein kleines Tor, und die Schwaden ließen die Person frei, die alle Fänden in ihren Händen hielt.
Tabea Ryder ging auf sie zu. Sie bewegte sich nicht sehr schnell, sondern ging wie jemand, der sich seiner Sache ungemein sicher war. Tabea wusste genau, dass sie die Gewinnerin war, und das Gefühl genoss sie, und das zeigte sie auch.
Sie konnte sich Zeit lassen, und so schlenderte sie heran. Je näher sie kam, um so mehr löste sie sich aus dem grauem Umfeld. Das Licht hinter ihr an der Rückseite des Hotels war beileibe nicht das beste, doch es reichte in diesem Fall zumindest aus, um sie teilweise besser sehen zu können.
So kannte Maxine die Autorin! So hatte sie Tabea bei der ersten Begegnung gesehen. Sie fühlte sich wieder versetzt in die gefährliche Situation, als sie am Boden gelegen hatte und die drei Pferde mit ihren Hufen über ihrem Körper getanzt hatten.
Es lag nicht am Nebel, dass Tabea Ryder zu einer unheimlichen Gestalt geworden war. Sie hatte ein Tuch oder eine Decke über den Kopf gezogen, so dass von ihren Haaren nichts mehr zu sehen war, sondern nur
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