Madame Mystique
würde ich keine Wette eingehen. Es hatte jedenfalls keinen Sinn, wenn ich mir den Bau von außen anschaute und nichts tat. Um mehr zu erfahren, musste ich hinein, und ich stellte ihn auf eines der ersten Ziele meiner Liste.
Ansonsten sah ich recht wenig. Ein paar Bäume, die ebenfalls von den Nebelfahnen umschlungen waren, aber nichts, was mich weitergebracht hätte. Ich zog mich wieder zurück und schloss die Balkontür.
Wenig später verließ ich das Zimmer. Wie ein Eindringling bewegte ich mich auf leisen Sohlen voran. Ich wollte nicht stören, aber dafür selbst herausfinden, ob hinter der einen oder anderen Tür nicht eine bekannte Stimme aufklang.
Pech gehabt.
Auch als ich versuchte, sie zu öffnen, erzielte ich keinen Erfolg, denn die Türen waren verschlossen.
Ein wirklich ungewöhnliches Hotel. Über die Treppe ging es wieder nach unten und dem Licht entgegen. Von der Höhe herab schaute ich in den Bereich hinter der Eingangstür hinein und sah von Rhonda nichts mehr.
Wahrscheinlich hatte sie sich wieder in den hinteren Raum zurückgezogen und schmollte. Oder hatte in der Zwischenzeit Kontakt mit ihrer Chefin aufgenommen, mit der ich gerne einige Worte gewechselt hätte.
Ich suchte auch nicht nach Rhonda, sondern ging geradewegs auf den Ausgang zu. Meine Hand hatte den Holzgriff der Glastür kaum berührt, da vernahm ich hinter mir Rhonda’s Stimme.
»Sie möchten noch mal raus in den Nebel, Sir?«
»Das hatte ich eigentlich vor.« Ich drehte mich um und sah sie hinter der Rezeption stehen. »Es sei denn, Ihre Chefin ist mittlerweile zurückgekehrt.«
Das zuckersüße Lächeln war ebenso falsch wie das überfreundliche Benehmen eines Vertreters. »Tut mir ja so Leid für Sie, Mr. Sinclair, aber sie ist noch nicht zurückgekehrt. Nach wie vor müssen Sie mit mir vorlieb nehmen.«
»Danke, ich möchte in diesem Fall allein sein.« Bevor Rhonda noch auf den Gedanken kam, den Platz hinter der Anmeldung zu verlassen, hatte ich bereits die Tür geöffnet und war nach draußen in die kühle und feuchte Welt gehuscht.
Ich ging zunächst zum Parkplatz. Maxine’s Wagen stand dort friedlich neben meinem Rover. Es hatte sich nichts verändert. Man konnte eigentlich nicht misstrauisch werden, und doch war ich es. Ich spürte genau, dass etwas nicht in Ordnung war. Diese Umgebung kam mir zu scheinheilig vor, sie verdeckte das Wahre.
Ich fand einen schmalen Weg, den ich entlangging und auch gehen musste, weil ich das normale Hotelhaus umrunden wollte. Mir ging es um den zweiten Bau, den ich vom Balkon aus gesehen hatte. Es gab keinen Beweis, aber ich traute dieser Scheune oder diesem Schuppen nicht.
Mich hielt die Einsamkeit umschlungen. Als Begleiter waren nur die Nebelschwaden vorhanden, die mich nicht aus ihren Klauen ließen. Meine Sicht war verdammt eingeschränkt, und das wurde auch nicht besser, als ich das Haus umging.
Die Rückseite würde interessanter werden, das spürte ich. Als ich dort angekommen war, blieb ich zunächst stehen und horchte in die Stille hinein.
Bis auf den eigenen Herzschlag hörte ich nichts, und das blieb auch in den nächsten Sekunden so. Die kleine Lampe steckte in meiner Tasche. Ich würde sie erst einsetzen, wenn es nicht mehr anders ging. Im Moment allerdings konnte ich mich nicht beschweren.
Bis zu dieser Scheune waren es nur wenige Schritte, aber die Strecke legte ich nicht mehr zurück, weil mich plötzlich ein seltsamer Laut irritierte. Es war ein Pfiff. Nur kein normaler, sondern mit einer Koloratur unterlegt, wie sie nur sehr wenige Vögel beherrschten, deren Namen ich nicht mal kannte.
Dass der Pfiff etwas zu bedeuten hatte, war mir schon klar, und ich wartete ab.
Es tat sich nichts.
Das Echo des Pfiffs war auch verstummt, ich hörte keine Schritte in der Nähe, aber etwas Fremdes drang an meine Ohren. Ein Geräusch, das sich nicht gefährlich anhörte, aber sehr schnell lauter wurde.
Dann hatte ich das Gefühl, der Nebel würde sich vor meinen Augen öffnen, um etwas zu entlassen, was er lange versteckt gehalten hatte. Aus der Luft flogen die beiden auf mich zu.
Im ersten Augenblick rechnete ich mit blutsaugenden Fledermäusen. Das war falsch, denn die Vögel, die sich ausgerechnet mich als Landeplatz ausgesucht hatten, war zwei Eulen.
Und die waren bestimmt nicht zum Spaß gekommen...
***
Maxine Wells stand im Dunkeln. Sie wusste zwar, wo sie sich befand, doch sie konnte mit diesem Wissen nichts anfangen, weil alles um sie herum einfach zu finster
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