Madame Mystique
hineinführte.
Im Hotel war es schon ruhig gewesen. Nun aber hatte sie das Gefühl, in das Schweigen hineinzugehen. Der Nebel half zudem noch mit, letzte vorhandene Geräusche zu überdecken. Er war nicht dicht, aber er lag wie eine Schicht auf dem Boden. Starre Fahnen, die kaum ein Wind bewegte.
Der Wald lag an der rechten Seite. Sie sah ihn so gut wie nicht mehr. Davor breitete sich eine Wiese oder Weide aus, und an der linken Seite sah die Umgebung ebenso aus.
Sie ging weiter, schaute dabei nach vorn und stellte fest, dass der Weg nicht breiter wurde. Es war ein schmaler Pfad, über den soeben noch ein normales Auto fahren konnte.
Auch das Weideland setzte sich fort, aber es war von einer Koppel umfriedet. Die senkrecht und waagerecht sitzenden Stangen bildeten ein Gitter, das sich zu einem Karree zusammenfügte.
Es lag nicht so hoch, als dass Maxine nicht darüber hätte hinwegschauen können. Viel sah sie nicht. Da lag noch immer der Nebel wie bleiche Watte über dem Boden. Das Gras hatte bei diesem Licht eine dunkle Farbe bekommen. Sehr grün sah es im Winter sowieso nicht aus.
Der Dunst klebte an ihrem Gesicht fest, als Maxine ihren Blick weiterhin über die Weide gleiten ließ. Es war noch nicht dunkel geworden, der Beginn der Dämmerung stand kurz bevor, und genau diese Zeit strahlte immer eine besondere Atmosphäre ab, die sie nicht nur hier verspürte, sondern auch an anderen Orten, aber hier war sie besonders dicht, romantisch und auch melancholisch.
Für sie lag der Dunst zwar starr, doch je länger sie hineinschaute, umso mehr glaubte sie, gewisse Formen und Figuren darin zu erkennen. Geheimnisvolle Wesen, die sich aus irgendwelchen Geisterreichen gelöst hatten, um den Bewohnern der Erde einen Besuch abzustatten. Der Dunst schien am Boden festzukleben, aber er zog sich nicht unbedingt fahnengleich in die Höhe, sondern mehr als Wolken, die sich zu großen Kugeln zusammengeballt hatten.
Der Boden und das Gras schimmerten feucht, und Maxine schüttelte irgendwann den Kopf, als sie merkte, dass sich auf ihrem Rücken eine Gänsehaut gebildet hatte.
Es war schlimm. Sie hatte sich vor dieser Atmosphäre so einfangen lassen, dass bei ihr der Schauer entstanden war. Sie konnte sich die Gegend schon gruselig denken, was ihr auch nicht gefiel, denn dies war mehr etwas für ihren Freund und Bekannten John Sinclair, der ständig mit unheimlichen Dingen zu hm hatte.
Stille kann beruhigen, das wusste Maxine Wells genau. Sie wunderte sich nur, dass sie in diesem Fall keine Ruhe fand. Zwar bewegte sie sich nicht von der Stelle, aber innerlich war sie schon aufgeregt. Das war etwas, was sie nicht verstand.
Warum? Es gab nichts, was sie hätte beruhigen können. Sie wollte sich auch nicht mehr vorstellen, dass sich in der Nebelsuppe etwas Unheimliches verborgen hielt.
Urplötzlich hörte sie den Schrei!
Die Tierärztin zuckte zusammen wie von einem Schlag mit der Peitsche getroffen. Der Schrei hatte sie völlig unvorbereitet erwischt. Er war laut und schrill gewesen, aber trotzdem gedämpft, und sie brachte ihn zuerst nicht auf die Reihe.
Es wurde wieder still...
Kleine, unsichtbare Körner aus Eis rieselten ihren Rücken hinab. Noch lagen die Hände auf einem Gatterbalken. Sie spürte das Holz, das nicht mehr so kühl war, denn durch ihre Hände strömte eine gewisse Wärme.
Wer hatte geschrien?
Maxine dachte darüber nach. Sie versuchte, sich den Schrei ins Gedächtnis zurückzuholen, was die letztendlich auch schaffte.
Sie war sich nicht sicher, ob dieser Schrei von einem Menschen oder von einem Tier ausgestoßen worden war. Da konnte beides zutreffen, davon ging sie schon aus.
Voller Spannung wartete sie darauf, dass sich der Schrei wiederholte, aber in den folgenden Sekunden geschah nichts. Maxine überlegte schon, ob sie zurückgehen sollte oder nicht, als sie abermals zusammenzuckte, denn der Schrei erklang erneut.
Diesmal war sie darauf vorbereitet gewesen, und jetzt stellte sie sehr schnell fest, dass es kein Mensch war, der den Schrei ausgestoßen hatte, sondern ein Tier.
Ja, ein Pferd!
Es war auch kein Schrei gewesen, sondern ein schrill klingendes Wiehern. Kaum war sie zu diesem Schluss gekommen, da spürte sie, dass es ihr besser ging. Sie lächelte sogar über ihr eigenes Verhalten vorhin und schalt sich eine Närrin, weil sie so reagiert hatte.
Es blieb nicht nur bei dem zweiten Schrei. Sie hörte einen dritten, einen vierten, und immer klang es wie das Wiehern eines Pferdes. Aber
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