Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
hat, weil gewisse Orte einen anziehen wie Magnete. Dann weiß man, dass man ein Zuhause gefunden hat.
Wir bogen kurz vor Sonnenuntergang in die Hauseinfahrt von Elaine und Thomas ein. Justins Eltern hatten sich dem Kampf für die Menschenrechte verschrieben, aber da ihre letzte Protestaktion sie fast das Leben gekostet hatte, waren sie offiziell in den Ruhestand getreten und wohnten in einem Küstenstädtchen voller Leute, die unplugged leben wollten.
Schon auf der Eingangstreppe hockten Menschen und unterhielten sich. Eine Gruppe Kinder spielte im Garten. Fahrräder, Fußbälle und Frisbees lagen auf dem Rasen herum. Die Szene erinnerte an das Jahrestreffen einer Großfamilie, war aber nur das übliche Chaos, das zum Haus der Sabels dazugehörte. Ich verstand, warum Justin mich hierhergebracht hatte. Er wollte mich wieder mit Leben füllen. Ich sollte mich erinnern, wofür ich eigentlich kämpfte, bevor wir uns mit dem Rest der Welt anlegten.
18. März 2061
Die letzten Monate bin ich einen langsamen Tod gestorben und nun gehe ich auf Entdeckungstour und suche nach allem Lebendigen. Was für Geheimnisse bergen die Pflanzen und Tiere um mich herum? Ich will sie nicht benutzen, züchten oder verändern, sondern einfach nur mehr über sie wissen und mich darüber freuen, dass es sie gibt. So sollte man auch mit Menschen umgehen … und mit mir, finde ich.
Thomas und Elaine haben im Garten einen Hühnerstall. Ich habe ihn schon früher gesehen, aber mir nie die Zeit genommen, ihn genauer zu studieren. Doch jetzt bin ich so verliebt in das Leben, dass mir keine seiner Formen selbstverständlich erscheint.
Vor dem Stall laufen ein Dutzend Hühner herum. Sie sind rundlich und flauschig, manche weiß gefiedert, andere nougatfarben oder schokoladenbraun. Mit ihren Perlenaugen starren sie neugierig zu mir hoch. Sie rennen energisch herum, hacken auf den Boden ein und glucksen vor sich hin. Ihr Leben ist einfach: Sie bauen sich kleine Nestmulden ins Heu, kuscheln sich auf der Stange zusammen, halten Schwätzchen im Schatten und picken auf dem sonnigen Hof herum. Wenn ich sie beobachte, sehe ich keinen Stress, keine Anspannung, keine Unzufriedenheit. Sie wirken glücklicher als so ziemlich jeder Mensch, den ich kenne.
Sie bringen mir bei, weniger zu wollen. Weniger Dinge und mehr vom Nichts: Luft und Freiheit, Ruhe und Frieden, Weite und Sonnenschein.
Aber wie bekommt man Nichts? Wie räumt man sich innerlich leer, um Platz für das zu schaffen, was wichtig ist? Wir Menschen haben nicht gelernt, weniger zu wollen. Wir besitzen bis zum Überfluss. Wir sind die einzigen Geschöpfe, die sich freiwillig mit Eigentum zumüllen, bis sie daran ersticken.
Während ich den Stall beobachtete, konnte ich nicht fassen, dass ich eifersüchtig auf einen Haufen Hühner war. Ihre winzigen Gehirne wussten besser, wie man lebt, als unsere komplexen Denkapparate.
Ich schlenderte an der Seite des Hauses entlang und schaute zu dem Sonnendeck voller Blumenampeln hoch, die vor Blüten und Ranken überquollen. Die explodierende Farbenpracht war wie eine Aufforderung, mich der Welt zu öffnen. Mein ganzes Leben lang wurde mir beigebracht, mich abzuschotten, weil man sich angreifbar macht, wenn man zu viel von sich selbst preisgibt. Aber diese Blumen verbergen nichts von ihrer Fülle, und es ist kaum zu glauben, wie viel Schönheit in einer einzigen Knospe steckt. Wenn Pflanzen so wären wie wir Menschen … wenn sie Angst hätten, sich den Elementen zu öffnen … dann würden all ihre Farben verloren gehen.
Vielleicht können wir mehr von der Natur lernen, als uns bewusst ist.
Ich wanderte weiter durch den Garten und zwischen Elaines Blumenbeeten herum. An den Rosenbüschen begannen zarte rot-grüne Blätter zu sprießen. Pinkfarbene Rhododendronblüten lugten aus ihren grünen Kokons. Alles erneuerte sich und wurde wiedergeboren. Es erinnerte mich daran, dass auch Teile von mir manchmal absterben mussten, um Platz für frische Knospen zu schaffen. Wenn man verdorrte Äste nicht kappt, können keine neuen wachsen.
Auf meinem ganzen Weg streckten sich spitze Tulpenblätter der Sonne entgegen und Osterglocken beugten die gelben Köpfe. So viel Leben spross um mich herum.
Ich schlenderte nach drinnen und betrachtete die verschiedenen Gitarren im Wohnzimmer, die Mandolinen, Banjos und das alte Holzklavier, dessen Vorderfront fehlte, sodass die Saiten hervorschauten wie Rippen. Die Tasten waren vom vielen Spielen abgenutzt.
In der Küche
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