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Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)

Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)

Titel: Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Kacvinsky
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Dann baute er sich neben mir auf und gab Anweisungen. Er ließ mich die ganze Arbeit selbst machen. Ich stach den Boden mit dem Spaten auf, und die Grasfläche teilte sich, sodass dicke braune Erde darunter zum Vorschein kam, die an Töpferton erinnerte. Sie war widerspenstig und manchmal musste ich mich mit meinem ganzen Gewicht auf den Spaten stellen. Justin schaute geduldig zu (schließlich wusste er, dass meine Muskelkraft nicht ohne Grund abgenommen hatte) und sagte mir Bescheid, als das Loch tief genug war. Dann zeigte er mir, wie man die Ränder der Öffnung mit dem Spaten einkerbte, damit die Wurzeln genug Platz hatten, sich in alle Richtungen auszubreiten.
    Mir schmerzten sämtliche Muskeln von den Schultern bis zum Hintern. Zum ersten Mal seit Monaten tat ich etwas für meine Fitness, anstatt körperlich immer weiter abzubauen. Schweiß tropfte mir von Stirn und Nasenspitze und ich schmeckte ihn salzig auf der Zunge. Ich konnte regelrecht spüren, wie das ganze Gift aus meinen Poren trat, während Sonnenschein hereinströmte. Eine bessere Medizin konnte ich mir nicht vorstellen. Meine Muskeln anzustrengen, meine Hände sinnvoll einzusetzen, war eine Erleichterung. Ich genoss das brennende Gefühl in meinen Armen. Wozu hatte man schließlich einen Körper und dieses ganze ausgeklügelte System aus Muskeln und Sehnen, wenn man es ungenutzt ließ?
    Ich wischte mir mit den dreckigen Handschuhen den Schweiß von der Stirn und legte eine Pause ein, bevor wir den Baum in die Erde pflanzten. Dazu servierte mir Justin ein Glas Limonade.
    Dann reichte er mir eine Gartenschere und zeigte mir, wie man das Sackleinen vorsichtig entfernte. Als ich es aufgeschnitten hatte, kam darunter ein fester Ballen aus Wurzeln zum Vorschein. Ich nahm ihn so behutsam in die Hand wie ein Chirurg, der ein Organ transplantiert. Nachdem ich ihn im Boden versenkt hatte, half mir Justin, frischen Humus und Dünger mit der Erde zu vermischen, die aus dem Loch stammte. Mit dieser Mixtur schüttete ich alles sorgfältig wieder zu, als würde ich die Wurzeln in eine Kuscheldecke hüllen. Ich stampfte die Erde mit dem Fuß fest und konnte dabei das Gefühl nicht abschütteln, dass ich ein Stück von mir selbst hierher pflanzte.
    Zum Abschluss bohrten wir zwei Pfähle in den Boden und banden den Stamm mit Gummibändern daran fest, damit er bei Windböen einen zusätzlichen Halt hatte. Ich trat ein paar Schritte zurück und betrachtete meine erste Pflanzung.
    »Jetzt hast du deine Spur hinterlassen«, sagte Justin feierlich.
    Ich stützte mich mit einem Arm auf den Spaten.
    »Wir müssen nur noch den Boden wässern, damit die Wurzeln einen leichteren Start haben, und dann sind wir fertig«, erklärte er. Ich hob überrascht die Augenbrauen. So schwierig war das gar nicht gewesen. Ein bisschen zeitraubend, aber dafür machte es Spaß. Meine Finger waren verdreckt, meine Arme und das Gesicht von der Sonne gerötet, und ich hatte mich an diesem einen Nachmittag zufriedener und erfolgreicher gefühlt, als in meinen ganzen Jahren an der Digital School.
    »Das ist alles?«, fragte ich. »Wieso machen die Leute das nicht öfter?«
    Justin zuckte mit den Schultern und meinte, dafür bräuchte man schließlich Geduld. »Bis ein Baum groß wird, dauert es zehn bis fünfzehn Jahre«, erklärte er. »In digitaler Zeit kommt einem das vor wie fünf Jahrtausende. Es gibt kein sofortiges Ergebnis mit Glücksgarantie.« Er zeigte auf den Stamm. »Man kann auch nirgendwo einen Bildschirm anmontieren oder ein Kabel reinstecken. Also dürften die meisten Leuten ihn ziemlich unnütz finden.«
    Wir schlüpften aus unseren Schuhen und Justin rollte einen Wasserschlauch aus, der an einem Wasserhahn an der Hausseite befestigt war. Dann besprengten wir die Erde, bis sie dunkel und voll gesogen war. Ich bewunderte meinen Baum. Mir gefiel der Gedanke, dass er jeden Tag kräftiger werden würde.
    Ich legte mich ins warme Gras und schaute zu den Blättchen empor, die wie kleine Hände dem Himmel zuwinkten. Justin ließ sich neben mir nieder und hielt meine Hand an seine Brust gedrückt.
    »Danke für das Geschenk«, sagte ich.
    »Es gefällt dir?«, fragte er.
    Ich nickte. Etwas Schöneres hatte ich noch nie bekommen. »Ich finde es fantastisch, dass du mir solche Dinge zeigst.«
    »Und ich finde es fantastisch, sie dir zu zeigen.«
    »Wieso?«, wollte ich wissen.
    »Weil du alles in dich aufnimmst. Die meisten Menschen lassen Erlebnisse von sich abgleiten. Aber du saugst sie

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