Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
in der Flugzeughalle einen Wandschirm auf, sodass wir zuschauen konnten, wie sich die Story verbreitete. Wir sahen das Centerpersonal erschöpft und in Polizeibegleitung durch das Tor kommen. Sie hatten den gleichen traumatisierten Gesichtsausdruck, den ihre Opfer immer getragen hatten.
Sowohl die Polizei als auch die Presse begannen das DCLA und andere Center unter die Lupe zu nehmen. Bis zum Ende der Untersuchungen wurde eine allgemeine Sperre verhängt, die bedeutete, dass keine neuen Patienten aufgenommen wurden … aber auch keine alten entlassen. Die von Molly verbreiteten Informationen tauchten in den Medien nicht auf. Selbst vertrauenswürdige Journalisten, auf die Justin sonst zählen konnte, schreckten davor zurück, sich so offen gegen das DS -System zu wenden.
Ich wusste, wer das Zünglein an der Waage war. Ein einziger Mann konnte die Wahrheit ans Licht bringen. Auch wenn ich es nur ungern zugab, war mein Vater immer noch die entscheidende Person. Er konnte die Öffentlichkeit in beide Richtungen beeinflussen, für uns oder gegen uns. Ich hielt mich an einem Hoffnungsschimmer fest: Im Center hatte ich ehrlichen Zorn in seinen Augen gesehen. Nun musste er sich zwischen der Digital School und seiner Tochter entscheiden. Eine andere Wahlmöglichkeit blieb ihm nicht. Er musste endgültig zeigen, was ihm mehr am Herzen lag.
Ich trommelte im Rhythmus der Musik mit dem Fuß und schaute Gabe zu, der mit Clare tanzte. Man konnte seinen Bewegungen ansehen, dass er mit Livepartys aufgewachsen war. Gekonnt wirbelte er Clare herum, fing sie wieder auf und führte sie sofort in die nächste Drehung. Sogar Scott und Molly standen irgendwann auf und schlossen sich der tanzenden Menge an. Ich wäre ihnen gerne gefolgt, aber meine düsteren Gedanken drückten mich nieder. Die Szene mit Justin gestern hatte sich angefühlt wie ein Abschied für immer. Ich hörte immer wieder Pats Bemerkung – ›Hat er jemals wirklich gesagt , dass er dich liebt?‹ – und fühlte einen Stich im Herzen.
Den ganzen Tag lang hatte ich Justin kaum gesehen. Immer war er von Leuten umschwärmt gewesen, die ihn kennenlernen wollten. Schließlich galt er als der Gründer der Rebellenbewegung. Er war das Bindeglied, das die Aktivisten zusammenhielt. Er hatte mehr dafür geopfert als jeder sonst. Die Menschen standen Schlange, um ihm dafür zu danken, wie sehr er sie inspiriert hatte. Ich erinnerte mich, wie Gabe ihn am Anfang einmal beschrieben hatte. Für die Öffentlichkeit war Justin ein Medienstar, so unerreichbar wie eine leuchtende Sternschnuppe. Er war ein Mega-Event, ein Tornado, eine Naturgewalt. Jetzt erlebten diese Menschen ihn zum ersten Mal greifbar nah. Man konnte ihm die Hand schütteln, und Mädchen warfen sich ihm kichernd in die Arme wie einem Teenageridol. Nur für mich war er unnahbar geworden.
Wenn Justin nicht gerade von seinen Fans belagert wurde, kam unter Garantie jemand mit einem dringenden Anruf oder einer Nachricht, die sofort beantwortet werden musste. Im Laufe des Tages kreuzten sich ein paar Mal unsere Blicke, aber nur für Sekunden. Dann wurde er schon wieder abgelenkt, weil jemand an seinem Arm zerrte oder seinen Namen rief. Ich wusste nicht, was seine Augen mir sagen wollten. Wie so oft war sein Blick brennend intensiv, konnte aber alles Mögliche bedeuten.
Ich versuchte, mich nur auf die Tanzenden zu konzentrieren. Irgendwann zog Gabe mich in den Kreis, und die Musik half mir, alles andere zu vergessen. Die Probleme verflüchtigten sich, ich schwitzte sie einfach aus und spürte, wie sich meine Poren stattdessen mit Licht füllten. Ich erlaubte mir, zu lachen und zu tanzen, weil ich es verdient hatte. Wenn man gerade ein Wunder vollbracht hat, muss man sich wenigstens die Zeit nehmen, es hinterher zu feiern.
Heiß und verschwitzt löste ich mich aus der Gruppe und steuerte auf einen Tisch mit Wassergläsern zu. Bevor ich dort ankam, schloss sich eine Hand um meinen Arm. Ich blickte hoch und schaute Justin ins Gesicht. Er sah ungeduldig aus. Seine Augen glitzerten lebendig und nahmen mich endlich wieder wahr.
»Ich habe den ganzen Tag versucht, dich allein zu erwischen«, sagte er und zog mich von der Menge fort. Wir hasteten durch den Sand, um Feuerschein und Lärm hinter uns zu lassen. Einmal stolperte ich über ein vorstehendes Grasbüschel, aber Justin fing mich auf und hielt meine Hand fest. Er sagte nichts. Er schaute mich nicht einmal an. Er hatte die Augen geradeaus gerichtet und atmete schnell.
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