Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
und lehnte mich dagegen. Im Nachhinein bereute ich, was ich alles ausgeplaudert hatte. Ich war noch keine vierundzwanzig Stunden im Center und würde schon meinen ersten Verweis bekommen. Mein Vater konnte so stolz auf mich sein.
Kapitel Elf
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Ich hatte erwartet, dass bei der Umerziehung eine strikte, militärische Disziplin herrschte. Ich hatte erwartet, dass man uns Befehle ins Ohr brüllte, vor Sonnenaufgang aus den Betten holte, stundenlang im Kreis marschieren ließ und unsere Tage minutengenau regelte. Aber nach den ersten Wochen im Center wusste ich nun, dass die einzige Disziplin darin bestand, uns in ständiger Isolationshaft zu halten.
Meine Tage liefen immer gleich ab und waren erfüllt von betäubender Langeweile. Da man unseren Zugang zu Computerprogrammen begrenzte, konnte ich mich fast nur mit den DS -Kursen beschäftigen, die ich noch zu Ende bringen musste. Soziale Netzwerke und Hobbysites waren für mich gesperrt. Als einzige Kontakte blieben mir meine DS -Lehrer und Tutoren. Es gab einige zensierte Filme, Bücher und Musikprogramme. Ansonsten durfte ich nur zwei Programme benutzen. Mit dem ersten konnte ich die Wände meiner Gefängniszelle nach Wunsch gestalten (wie befreiend), und das zweite bestand aus endlosen Fragebögen, die mir helfen sollten, mich selbst zu finden (und die negative Energie aus meinem Inneren herauszusaugen).
Meine Therapiesitzungen endeten weiterhin in Albträumen. Inzwischen erwartete ich nichts anderes mehr. Sie infiltrierten meinen Geist wie feindliche Agenten. Sie belagerten mein Bewusstsein wie eine Invasionsarmee, die meinen Verstand abtöten wollte. Schlaf kam in kurzen Schüben, und obwohl die quälenden Träume so wirklich waren, dass ich schreiend aus ihnen erwachte, vergaß ich sie innerhalb von Sekunden. Ein paar Mal versuchte ich, an meine Erinnerungen heranzukommen, rannte aber wie gegen eine Mauer. Der Zugang zu meinem Gedächtnis glich einem verbarrikadierten Tor, das ich nicht aufstemmen konnte. Nur die Gefühle blieben zurück.
Im Schlaf ist man seinen Gedanken ausgeliefert. Ich musste erkennen, dass mein Bewusstsein ein eigenes Bewusstsein besaß … Und ich hatte das Gefühl, dass man im DCLA das Ziel hatte, genau diesen Teil von mir zu manipulieren.
Ich versuchte mich abzulenken. Ich entwarf digitale Fenster für mein Zimmer, weil die Wände mich erdrückten, und konnte darin den Himmel meiner Stimmung anpassen: sonnig, bedeckt, regnerisch, nebelig oder stürmisch. Mir stand sogar ein Tornado zur Verfügung, der sich vor meinen Augen durch das Land fraß. Die Lautsprecher erweckten ihn zum Leben und fügten Sturmheulen, Hagel und Donner dazu. Mir gefiel die Vorstellung, dass es dort draußen eine Naturgewalt gab, die stärker war als alles, was das Center zu bieten hatte. Ein Tornado konnte den ganzen Komplex in Stücke zerlegen. Dazu brauchte er sich nicht einmal anzustrengen. Ich stellte mir vor, wie er die Mauern pulverisierte, und klammerte mich an den Gedanken, dass etwas mächtig genug war, mich zu befreien.
Ich wusste, dass ich schwächer wurde. Ich magerte ab. Ich war ständig müde. Meine Schutzwälle begannen zu bröckeln. Aber ich weigerte mich, diese Tatsache zu akzeptieren. Manchmal muss man sich blind stellen, wenn man die Hoffnung nicht verlieren will.
Eines Morgens blinkte auf meinem Wandschirm die Information, dass ich in zwanzig Minuten zu einer Therapiesitzung erwartet wurde. Ich klickte auf die Empfangsbestätigung und machte mich allein auf den Weg. Ich war immer allein. Aber als ich in den Flur trat, entdeckte ich ein anderes Mädchen, das gerade aus dem Toilettenraum am Ende des Flurs kam. Mein erster Instinkt war, ihr auszuweichen, noch stärker aber war das verzweifelte Verlangen, mit jemandem zu sprechen. Ich brauchte diese Chance, um mich zu erinnern, dass jenseits meiner Zimmerwände noch andere Menschen wohnten.
»Hallo«, rief ich und schlurfte auf sie zu. Sie versteifte sich ruckartig, als hätte ich sie mit einem Elektroschocker berührt, und erstarrte. Vor allem machte sie keine Anstalten, sich umzudrehen. Ich blieb verwirrt auf halbem Weg stehen. Ihre Arme waren starr, ihr Rücken hart wie ein Brett, ihre Hände zitterten. Ich hätte schwören können, dass ich sie wimmern hörte.
»Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, sagte ich zu ihrem Rücken. »Aber du bist das erste andere Mädchen, dem ich hier begegnet bin. Du brauchst nicht mit mir zu reden.« Sie senkte den Kopf, drehte sich langsam auf
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