Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
aber er blieb auf Abstand. »Wir werden uns eine Nacht pro Woche treffen«, bestimmte er. »Molly kann Maddies Verhalten studieren und Tests durchführen. Und eine zusätzliche Nacht pro Woche will ich für uns beide allein haben. Lässt sich das machen?«, fragte er Gabe, der zustimmend nickte.
Justin kam ein paar vorsichtige Schritte auf mich zu. Er griff in seine Hosentasche und die Bewegung ließ mich ängstlich zurückzucken. Ich lehnte mich von ihm weg, aber als ich auf seine Hand schaute, stellte ich fest, dass er mir mein Tagebuch entgegenhielt.
»Ich dachte, das möchtest du vielleicht haben«, sagte er.
Ich starrte auf den abgegriffenen roten Ledereinband. »Wie bist du denn daran gekommen?«, fragte ich.
Die Antwort kam von Clare. »Ich habe Joe überredet, es mir zu geben. Sagen wir mal, ich hatte einen kleinen Wortwechsel mit deinem Bruder, nachdem uns klar geworden ist, dass er dich ausgeliefert hat.«
»Du kannst es hier unten verstecken«, meinte Gabe. »In deinem Zimmer gibt es keinen Platz dafür.«
Ich nahm das Tagebuch, ohne Justins Hand zu berühren, und streichelte über den weichen Einband. Dann blätterte ich durch die Seiten. Ich hatte das Gefühl vermisst, echtes Papier zwischen den Fingern zu haben, und ebenso den leicht erdigen Geruch. An dem Buch war ein Stift festgesteckt.
»Danke«, sagte ich.
»Wir treffen uns in drei Tagen wieder«, schlug Justin vor. »In Ordnung?«
Als ich nickte, schaute er mich ein paar Sekunden lang prüfend an.
»Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert«, versprach er. Dann drehte er sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort. Die anderem folgten ihm zögernd durch die Tür. Clare warf mir einen letzten stirnrunzelnden Blick zu und Pat musste man regelrecht hinausschieben. Ich blickte Justin hinterher und wusste, dass seine äußere Ruhe nur Fassade war. Denn als er mir das Tagebuch gegeben hatte, hatten seine Finger gezittert.
Oktober 2060
Diesmal habe ich keine Zweifel. Zum ersten Mal in meinem Leben betrete ich einen Weg, den ich völlig selbst gewählt habe. Zum ersten Mal kämpfe ich für etwas, an das ich glaube. Ich weiß nicht, wie meine Zukunft aussehen wird, aber vielleicht liegt genau darin der Sinn des Lebens. Bisher wurden mir die Lösungen für meine Probleme immer auf dem Silbertablett serviert. Jetzt will ich endlich selbst nach Antworten suchen. Denn nur so kann ich wirklich an sie glauben.
Wenn man weiß, was man will … wenn man sich nicht länger sagen lässt, wer man sein soll … dann erst besitzt man echtes Selbstbewusstsein. Man fühlt es im Inneren und braucht keine Bestätigung von außen. Jeder Schritt wird einfach, weil man von einer Entschlossenheit getragen wird, die auf andere abstrahlt.
Zum ersten Mal glaube ich an etwas. Das Gefühl ist wie eine Kompassnadel, die mir zeigt, in welche Richtung ich weitergehen soll. Im Leben ist nur eines unveränderbar, nämlich wie wir auf die Welt kommen. Jeden Schritt danach müssen wir selbst bestimmen, und welchen Weg wir einschlagen, liegt ganz allein bei uns.
Kapitel Sechzehn
----
»Ich kann echt nicht glauben, dass du ein Verhältnis mit dem Anführer der Rebellen hast«, sagte Gabe. »Kein Wunder, dass dein Dad dich ins Center sperren lässt.«
Wir hockten draußen auf dem Balkon, wo warmes Sonnenlicht uns umgab. Ich fühlte mich heute besser als seit Langem. Vielleicht weil ich wusste, dass ich später, wenn es dunkel war, Justin wiedersehen würde. Ich nippte an meinem heißen Kaffee, der mich von innen wärmte. Ich hob das Gesicht in die Sonne und fühlte mich wie eine Schlange, die ihren Körper hoch aufgerichtet der Wärme entgegenstreckt. Einmal pro Woche erlaubte ich mir, für zehn Minuten mit Gabe auf den Balkon zu verschwinden. Das Auge wusste, wie lange ich außerhalb meines Zimmers blieb, aber bisher war ich dafür nie bestraft worden – zumindest nicht, soweit ich mich erinnern konnte. Anscheinend meldete das Auge nur, ob ich mit anderen Menschen interagierte. Solange ich scheinbar allein blieb, hatte es wenig Interesse an mir.
»Wie hat man eigentlich eine Beziehung mit jemandem, den es offiziell gar nicht gibt?«, erkundigte sich Gabe.
Mein Leben schien ihn zu faszinieren. Manchmal kam er mir so unwissend vor, als sei er noch nie außerhalb des Centers gewesen. Aber immer, wenn ich ihn nach seiner Vergangenheit fragte, wechselte er das Thema. Ich ließ ihm seine Geheimnisse. Anscheinend zog ich Männer an, die sich gerne distanziert und
Weitere Kostenlose Bücher