Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
Zeit. Die Luft fühlte sich lebendig an. Meine Lungen tankten sich voll. Sie füllten sich wie ein Motor, den man mit neuem Treibstoff versorgt. Mein ganzer Körper schaltete einen Gang hoch. Meine Energie stammte direkt aus dem Himmel. Ich atmete tief durch und starrte nach oben.
Eine Straßenlaterne beleuchtete den Tunneleingang, aber dahinter erstreckte sich unendliche Schwärze. Schwarz ist meine Lieblingsfarbe. Sie ist geheimnisvoll, bodenlos, undefinierbar. Wenn die Augen nichts sehen, beginnt die Fantasie zu arbeiten. Jede Gestalt, jeder Umriss erscheint mysteriös, wenn die Details verborgen bleiben.
Ich vergaß, wer ich im Center gewesen war. Jetzt wusste ich, warum Justin darauf bestanden hatte, mich allein zu treffen. Er hatte mich hierher gebracht, um mich wieder ans Leben zu gewöhnen. Die Dunkelheit breitete ihre Arme aus und ich schmiegte mich hinein. In ihrer schützenden Umarmung fühlte ich mich geborgen und willkommen. Die Dunkelheit verurteilte nichts, sie hatte keine prüfenden Augen, sie war reines Gefühl. Sie durchschwebte die Nacht auf Engelsflügeln, die groß genug waren, um die Welt einzuhüllen.
Justin führte mich hügelabwärts zum Strand. Wir hörten das Rauschen der Wellengeneratoren, in denen die Kraft des Meeres zu Energie verwandelt wird. Sie ziehen sich einen Großteil der Küste entlang, von Santa Barbara bis San Diego, um die Metropolen dazwischen mit Strom zu versorgen. Weiße Scheinwerfer beleuchteten die riesigen Schaufelräder, die das Wasser durchschnitten. Sie rotierten taktgleich durch die Wellen wie eine Truppe Rad schlagender Akrobaten.
Wir setzten uns in den weichen Sand an den Rand der Brandung. Die Wellen schäumten übermütig auf uns zu, bis sie fast unsere Füße erreichten, und flüchteten schüchtern wieder zurück. Ich musste grinsen, weil das Meer mit mir zu spielen schien. Es gab sein Bestes, um mich aufzuheitern.
»Ich war überrascht, dass du nicht protestiert hast, als ich im Center bleiben wollte«, sagte ich zu Justin. Der Klang meiner eigenen Stimme hörte sich fremd an. Gabe und ich sprachen eigentlich immer im Flüsterton, selbst wenn es gar nicht nötig war … als würden wir ständig auf Zehenspitzen herumschleichen. Das Center zwang uns die Denkweise auf, dass jedes nicht-virtuelle Gespräch ungesund und umstürzlerisch war. Täglich benutzte ich meine Stimme weniger. Manchmal fragte ich mich, wozu ich überhaupt eine besaß.
Justin gab zu, dass er kurz davor gewesen war. »Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke, was du freiwillig durchmachst.« Seine Augen suchten meine und silbernes Licht spiegelte sich darin.
»Wieso hast du mich dann nicht zurückgehalten?«, fragte ich. Ein Teil von mir wünschte, er hätte es getan. Schließlich konnte ich nicht die ganze Zeit mutig sein.
Er seufzte, als würde er seine Entscheidung ebenfalls bedauern. »Weil ich an deiner Stelle genauso handeln würde. Und ich weiß, dass du damit fertig wirst.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte ich, da ich selbst inzwischen daran zweifelte. Ich brauchte jemanden, der mir meine Stärken ins Gedächtnis rief.
»Ich glaube an dich. Ich glaube, dass du recht hast und hier etwas Entscheidendes bewirken kannst.« Er erklärte, dass schicksalhafte Ereignisse meistens die Form einer Prüfung annahmen. Seiner Erfahrung nach wollte die Schicksalsgöttin uns erst einmal auf den Knien sehen, bevor sie uns half. Ich fragte mich, ob er damit auf Kristin anspielte.
Er lehnte sich nach hinten, stützte sich auf den Händen ab und streckte die langen Beine aus. »Was du tust, kann tatsächlich zu einem Wandel führen. Wenn wir die ganzen Jugendlichen aus den Centern holen, wird der Rest der Gesellschaft uns zuhören müssen.«
Ich presste meine Handfläche auf den kühlen Sand und fühlte mich so klein und unbedeutend wie die Körner, die an meinen Fingern klebten.
»Ich bin nicht sicher, ob ich durchhalte«, gab ich zu.
»Das ist ein Gedanke, den du verdrängen musst. Zweifel sind gefährlich. Wenn du dich von deinen Zweifeln leiten lässt, landest du in einer Sackgasse, aus der du nicht mehr herauskommst. Was du tust, ist wichtig. Du hast die richtige Entscheidung getroffen.«
Er wandte sich mir zu und zog mich vorsichtig näher, bis unsere Beine sich berührten und er meine Hände halten konnte. »Ich weiß, dass du es schaffst. Du schaffst es, Maddie.«
Ich runzelte die Stirn. »Vielleicht. Ich weiß nicht genau.«
»Ich lasse nicht zu, dass dir etwas
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