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Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)

Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)

Titel: Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Kacvinsky
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passiert. Solange du hier drin bist, setzte ich keinen Fuß aus der Stadt. Und ich glaube fest an das Sprichwort ›Was dich nicht umbringt, macht dich stärker‹.«
    Forschend schaute ich ihm in die dunklen Augen. Diesen Spruch hatte ich von meinem Vater ständig gehört und nie daran geglaubt. Ich ließ Justins Hände los und lehnte mich zurück.
    »Wieso sagen die Leute so etwas? Was soll dieser Satz denn bitte heißen?«
    »Ich finde ihn einleuchtend. Die schwierigsten Momente unseres Lebens bestimmen, wer wir sind.«
    Entschieden schüttelte ich den Kopf. »Ich finde, genau das Gegenteil ist wahr.«
    Er betrachtete mich neugierig. Ich erwartete nicht, dass er meinen Standpunkt verstehen würde. Unsere Vorstellungen davon, was beim Überleben half, waren wie Tag und Nacht.
    »Wenn deine Zeit abläuft, an was erinnerst du dich wohl als Letztes?«, fragte ich. »Doch nicht an deine schlimmsten Momente, an Einsamkeit, Angst und Trauer. Die Erlebnisse, die uns fast umbringen, machen uns überhaupt nicht stärker. Dadurch werden wir nur verbittert. Wir kapseln uns ab oder zerbrechen.«
    Justin dachte darüber nach. »So habe ich das noch nie gesehen.«
    Was für eine Überraschung , dachte ich, verschluckte aber die Bemerkung. Bei diesem Gespräch musste ich behutsam vorgehen.
    »Ich finde, uns macht alles stärker, was unserem Leben einen Sinn gibt«, sagte ich. »Wenn ich aus den Albträumen aufwache und das Gefühl habe, fast daran kaputtzugehen, dann denke ich mit aller Kraft an dich. Und an die anderen Menschen, die ich liebe. An Orte, die mich glücklich gemacht haben. An Momente, durch die mein Leben lebenswert geworden ist. Auf dem Totenbett würde ich bestimmt keinen Gedanken an den ganzen Mist verschwenden, der es nicht geschafft hat, mich umzubringen. Ich würde mir die Menschen vorstellen, die ich um mich versammeln möchte, um ihnen zu sagen, wie viel sie mir bedeuten. Liebe macht uns stärker. Sie ist die einzige Waffe, die mir das Center nicht wegnehmen konnte. Nur deshalb haben sie es bisher nicht geschafft, mich zu brechen.«
    Justin neben mir schwieg. Ich fühlte, wie unsere Zeit langsam ablief. Am liebsten hätte ich sie zum Stillstand gebracht. Ich wollte sie ausdehnen und strecken, damit sie nicht endete. Ich wollte durch die behäbige Dünung der Zeit waten und niemals aufhören.

Kapitel Siebzehn
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    In den nächsten Wochen schien sich mein Leben nur kriechend vorwärtszubewegen. Das Center bemühte sich mit allen Kräften, mein Bewusstsein zu übernehmen, und ich kämpfte dagegen an. Das Ziel der Umerziehung war, mir jedes bisschen Hoffnung und Selbstbewusstsein zu nehmen. Also stellte ich mir täglich Denkaufgaben, die mich wieder aufbauten. Ich rief mir alles ins Bewusstsein, was ich liebte. Ich badete in glücklichen Erinnerungen, bis sie mich wie ein Schutzmantel umgaben, den ich überall mit mir herumtragen konnte. Ich vertiefte mich in die Menschen, Orte und Erlebnisse, die mich inspirierten, sodass sie wie ein Mantra durch meinen Kopf liefen. Ich dachte mir täglich eine neue Lieblingsliste aus. Manche davon schrieb ich in mein Tagebuch, andere bewahrte ich im Gedächtnis auf. Sie waren meine eigene, geheime Gegentherapie. Meine zehn Lieblingsspeisen. Meine zehn größten Vorbilder. Meine zehn schönsten Momente. Meine zehn besten Eigenschaften. Jede dieser Listen brachte mich zum Denken und Analysieren. So trainierte ich den Teil meines Gehirns, den das Center lähmen wollte. Es war keine großartige Gegenwehr, aber besser als nichts.
    Ich hatte mein Zimmer schon länger nicht mehr verlassen, außer wenn ich dringend zur Toilette musste. Ein Blick auf die Türklinke genügte, damit mir vor Angst übel wurde. Ich suchte nach den Auslösern für meine Panik, konnte aber nichts finden. Mein Körper reagierte völlig instinktiv und warnte mich vor der Welt draußen, die ich nicht kontrollieren konnte. Schon der Gedanke daran war lähmend. Die vier Wände meines Zimmers waren mein einziger Schutz.
    Jede Woche traf ich mich mit Molly, damit sie mich studieren konnte wie ein medizinisches Experiment. Um mich untersuchen und mir Blut abnehmen zu können, musste sie mich immer erst unter Beruhigungsmittel setzen, weil ich Körperkontakt nicht ertrug. Justin war die einzige Ausnahme, ansonsten geriet ich in Panik, sobald jemand näher als drei Meter an mich herankam. Und selbst Justin durfte nur meine Hand halten. Er berührte sie so vorsichtig wie hauchdünnes Reispapier. Molly setzte mir

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