Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
benutzt«, erzählte er, »und möglichst auf moderne Technologie verzichtet. Ein paar Solaranlagen für elektrischen Strom gab es im Ort, aber das war eigentlich alles. Wir hatten weder Internet, noch Telefon, noch Fernsehen. Im ganzen Ort gab es nur einen einzigen Computer, der im Gemeindehaus stand und für alle zugänglich war, aber ich habe ihn nie benutzt.«
»Das ist kaum zu fassen. Wie kann man so leben … total abgeschnitten von allem?«, fragte Pat.
»Ich habe mich nie abgeschnitten gefühlt«, sagte Gabe. »Schließlich kannte ich nichts anderes. Ich habe den größten Teil meiner Kindheit im Freien verbracht, bei der Feldarbeit geholfen, mir die Hände dreckig gemacht und von dem gelebt, was die Natur mir gab. Manchmal haben wir die Nachrichten im Radio gehört, aber das kam mir immer vor wie ein SciFi-Hörspiel. Alles war digital, virtuell, vernetzt, reloaded … Ich verstand fast nichts davon, und außerdem hörte es sich an, als würden sie über Maschinen statt Menschen reden.«
Justin und ich lächelten uns an. Da lag Gabe nicht besonders falsch.
Clare fragte ihn, wie er im Center gelandet sei. Er erzählte, dass die Regierung auf sein Heimatdorf aufmerksam geworden war und es mit Gewalt aufgelöst hatte. »Kindern den Zugang zur Digital School zu verweigern, ist illegal«, erklärte Gabe. »Der Ort hatte keinen Netzanschluss, also wurden die Kinder anderswo hingebracht. Meine Eltern hat man eingesperrt«, fuhr er fort. »Ungefähr die Hälfte der Dorfbewohner ist im Gefängnis gelandet. Ich glaube kaum, dass der Ort noch existiert.« Er sprach langsamer, während er sich erinnerte. »Die meisten Kinder wurden zu Verwandten geschickt, aber da ich keine Familie außerhalb des Dorfes hatte, schickte man mich zu Pflegeeltern in San Francisco. Nach ein paar Monaten bin ich weggelaufen. Die Polizei hat mich gefunden und hierher gebracht.«
»Wussten sie im Center überhaupt, was sie mit jemandem wie dir anfangen sollten?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann lesen und schreiben, aber ich habe noch nie einen Computer angefasst, und es hat sich auch niemand die Mühe gemacht, mich anzulernen. Stattdessen haben sie bald herausgefunden, dass man mich prima für praktische Arbeiten einsetzen kann. Ich bin unschlagbar bei Reparaturen und handwerklichen Sachen und habe hier schon so ziemlich jeden Haushaltsjob übernommen, vom Putzen bis zum Wäschewaschen. Sogar Wachschichten haben sie mich schieben lassen. Vor drei Jahren haben sie mir ein Shirt mit DCLA -Logo überreicht und mir ein Zimmer im Personalflur gegeben.« Gabe lächelte in sich hinein. »Mir soll es recht sein, wenn ich den Rest meines Lebens verbringe, ohne einen Computer zu berühren. Ich bemühe mich jedenfalls sehr, es zu vermeiden.«
»Kannst du nicht einfach aus dem Center verschwinden?«, fragte Molly ihn.
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte Gabe. »Aber meine Pflegeeltern haben einen Vertrag unterschrieben und mich sozusagen ans Center verkauft. Das DCLA darf mich bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr als Arbeitskraft behalten, wenn ich dafür Unterkunft und Verpflegung bekomme. Bis zu meiner Volljährigkeit sind es nur noch ein paar Monate. So lange kann ich wohl durchhalten.« Nachdem er seine Geschichte beendet hatte, schaute er auf die Uhr und wandte sich an mich.
»Wir müssen zurück«, sagte er.
Doch zuerst wollte ich noch mit Clare sprechen. Und zwar allein. Die anderen nickten, verabschiedeten sich und verließen den Raum.
Kaum hatte Gabe die Tür hinter sich geschlossen, drehte sich Clare mit besorgtem Gesichtsausdruck zu mir um. »Stimmt was nicht?«, fragte sie.
Ich pulte an einem losen Faden meiner Anstaltskleidung herum. Da mir keine Überleitung einfiel, beschloss ich, das Thema ganz direkt anzupacken.
»Wieso hat mir keiner von Kristin Locke erzählt?«
Bei diesem Namen fiel meiner Freundin die Kinnlade herunter. Sie wurde rot und schaute mich mit betretenem Blick an. »Maddie …«
»Du hättest es mir sagen sollen, Clare. Wenigstens du.« Sie setzte sich auf meine Bettkante. Instinktiv zog ich die Beine weg, richtete mich gerader auf und schlang schützend einen Arm um die Knie. Meine linke Hand knetete nervös das Laken.
»Justin hat dir tatsächlich von Kristin erzählt?« Ihre Frage brachte mich noch mehr aus der Fassung.
»Überraschenderweise ist er nie dazu gekommen«, sagte ich sarkastisch. »Nein, Gabe hat mit dem Thema angefangen. Er dachte, ich würde schon Bescheid
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