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Made in Germany

Made in Germany

Titel: Made in Germany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaya Yanar
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Schokoladenhase, keine Eiersuche. Wobei es auch bei Türken Eiersuche gibt – sie nennen das allerdings „Sack checken”. Und wenn Erkan oder ich meinen Papa ganz vorsichtig nach Schokoladeneiern fragten, kam das obligatorische: „Ich geb dir gleich Schokoladeneier!”
    Diese trostlosen Ostertage waren besonders schlimm für mich, weil ich im Religionsunterricht ja mitbekam, was in den anderen Familien ostertechnisch abging:
    Die deutschen Mamas und Papas fingen schon in der Adventszeit an, Eier auszublasen und Osternester zu basteln!
    Wenn Schokoladenhasen ausverkauft waren, dann
schossen sie sich einen echten Hasen im Wald und tauchten ihn in heißes Nutella!
    Im Garten hatten die anderen Eltern so viele Leckereien ausgelegt, dass man nicht die Eier suchen musste, sondern den Rasen !
    Das klang so toll für mich, das wollte ich auch erleben! Darum habe ich im Religionsunterricht auch immer mitgemacht – ich wollte ja dazugehören. Auch wenn mein Vater die schönen Feiern boykottierte: Ich gab die Hoffnung nicht auf. Allerdings saß ich in der Klasse neben meinen Kumpels Hakan, Ranjid und Francesco. Und hin und wieder passte ich auch nicht so gut auf. Ich ließ mich unter der Schulbank gerade von Francescos anatomisch erstaunlich korrekten Aktzeichnungen von Susi aus der Parallelklasse faszinieren, da fragte mich unser Religionslehrer wie aus heiterem Himmel: „Kaya, was wird Ostern gefeiert?”
    Und ich antwortete so gut wie es mir in dem Moment möglich war: „Äh, ääääh … Ostern … die … äh … wunderbare Hasenvermehrung?”
    „Kaya!? Hast du nicht aufgepasst?”
    „Doch, äääääh ...”
    Und schon ging die bewährte stille Post zwischen mir und meinen Kumpels los. Ich flüsterte zu Francesco: „Francesco: Weißt du, was Ostern gefeiert wird?”
    „Ääääääh ...”
    Francesco wusste es also auch nicht, also flüsterte er: „Hakan, weißt du, was Ostern wird gefeiert?”
    Hakan war sich nicht ganz sicher: „Weiß nicht – Frühlingsfest bei BMW?”
    Der Lehrer griff geduldig ein: „Hakan, Jesus Christus hat am Gründonnerstag das letzte Mal mit seinen Jüngern zusammengesessen. Karfreitag ist er gestorben.
Und drei Tage später ist er wieder auferstanden. Und der dazugehörige Feiertag ist …?”
    „Hihi, ich weiß es, ich weiß es”, schrie Ranjid, „Rosenmontag!”
    Meistens passte ich im Religionsunterricht allerdings sehr gut auf. Besonders fasziniert war ich von der Bibel. Ein tolles Buch! Gut, es ist nicht Harry Potter, aber es passieren trotzdem eine Menge toller Sachen in der Bibel. Und die Typen in der Bibel sind auch alle cool. Selbst Hakan war total begeistert. Seine Lieblingsfigur war Petrus – darum ist er auch Türsteher geworden. Meine Lieblingsgeschichte war die von Moses und dem Auszug aus Ägypten:
    Moses stand damals mit seinen Israeliten im Frondienst eines ägyptischen Pharaos. Das war nicht gut für die Israeliten. Man muss sich das so vorstellen wie Zeitarbeit: schlechte Bezahlung, kaum Arbeitsrechte, weit weg von zu Hause. Also sprach eines Tages Gott zu Moses: „Ey!”
    Und Moses war total erschrocken. Er guckte sich hektisch um und fragte: „Was guckst du?”
    Und Gott sprach: „Hier oben bin ich! Sorry, hab ich grad konkret die Türken erschaffen und jetzt krieg ich de Scheiße krasse Akzent nicht raus! Wie war dein Name noch? Murat?”
    „Nein, Moses!”
    Und Gott sprach: „Passt du auf, Moses. Was machst du da de blöde Frondienst? Nimmst du deine Kumpels und gehst du konkret rüber ins gehypte Land.”
    Und Moses ging mit seinen Männern ins gelobte Land. Dafür brauchte er 40 Jahre. Ich habe mir das mal im Atlas angeguckt: 40 Jahre für 400 Kilometer! Das macht 27 Meter am Tag. 114 Zentimeter pro Stunde.
Und ich habe herausbekommen, warum Moses und seine Männer so langsam waren: Das waren Kiffer. Verdammt coole, bekiffte Hippies!
    Nur mein Vater hat das nicht verstanden: „Vierzig Jahre für die paar Kilometer? Da ist man ja mit einem alten Ford Fiesta schneller! Machen die biblische Thai Chi oder was?”
    Mein Vater verstand die Bibel nicht. Und mit Nikolausbräuchen kannte er sich genauso wenig aus. Einmal hatte er zwar am Abend vor dem 6. Dezember seine Schuhe rausgestellt, aber nur, damit meine Mama sie putzte. Dass sie ihm in jeden Schuh ein Marzipanschweinchen gesteckt hatte, bemerkte er erst, als er die Schuhe ein paar Tage später wieder auszog und sich wunderte, dass sie nicht wie sonst nach Schweiß rochen, sondern nach

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