Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Made in Germany

Made in Germany

Titel: Made in Germany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaya Yanar
Vom Netzwerk:
und Restmüll. Manchmal ist es gar nicht einfach zu entscheiden, welcher Abfall in welche Tonne gehört. Apfelschalen zum Beispiel: Eigentlich ein klarer Fall für die Komposttonne. Andererseits ist eine Apfelschale aber auch irgendwie Verpackung, also könnte sie auch in der gelben Tonne landen. Und wenn die Wiese, auf der der Apfelbaum steht, von ungarischem Giftschlamm überspült worden ist, dann gehört die Schale natürlich in den Sondermüll. Schwierig. Wenn ich gar nicht mehr durchblicke, dann rufe ich meinen Kumpel Hakan an, und der sortiert dann für mich den Müll. Er stellt sich mit den Abfällen vor die Tonnen, und schon geht es los:
    „Du kommst hier ned rein!
    Du kommst da ned rein!

    Dafür kommst du da hinten rein!
    Und du da ...”
    Ich lebe weitgehend umweltbewusst und bemühe mich, die Natur zu schonen. Mein Kumpel Francesco ist da ein bisschen weniger konsequent:

    Wir haben uns die Welt nur von unseren Kindern geliehen. Beziehungsweise von euren Kindern – ich verhüte ja! Ich möchte, dass eure Kinder in den Wald gehen können, ohne Eintritt zu bezahlen, weil ein gesunder Baum bis dahin so selten ist wie ein Picasso.
    Natur unmittelbar zu erfahren, ist enorm wichtig für die kindliche Entwicklung. Ich weiß, wovon ich rede. Ich lebte damals ein paar Jahre lang mit meinen Eltern und meinem Bruder in Maintal-Dörnigheim. Maintal-Dörnigheim liegt 13 Kilometer östlich von Frankfurt, und das war für uns Kinder natürlich ein Paradies: Wir waren vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Es gab nichts. Das Dorf war so klein – wir hatten einstellige Telefonnummern.

    Einmal kam sogar ein Mann aus Ohio in unser Dorf und rammte eine amerikanische Flagge in unseren Vorgarten – er war der Überzeugung, dass er eine der Menschheit bis dahin unbekannte Siedlung entdeckt hatte. Wir waren so weit draußen – wenn meine Mutter mal kurz Zigaretten holen ging, war sie erst Monate später wieder zurück.
    Es war wenig los in Maintal-Dörnigheim, aber das war uns Kindern egal, denn wir lebten mitten in der Natur. Das Grün war direkt vor der Haustür. Ich liebte es, direkt von unserer Haustür aus über die Felder zu rennen. Ich spielte zwischen dem Korn und kletterte mit meinen Freunden auf die Bäume. Dort spielten wir Piraten: Der Baum war das Schiff, jeder saß auf einem Ast, und wir schunkelten, um einen Sturm zu simulieren – wir fühlten uns wie Besoffene auf einer Karnevalssitzung. Und im Herbst plünderten wir die Obstbäume unseres Nachbarn – damals ernährte ich mich monatelang nur von Pflaumen und Maden!
    In der Nähe war auch ein Baggersee, der im Winter fast völlig zufror. Wenn es so weit war, machten meine Kumpels Hakan, Ranjid, Francesco und ich immer Mutproben: Wer traut sich am weitesten aufs Eis?

    Niemand traute sich so weit aufs Eis wie ich. Also habe ich gewonnen. Ich musste den Sieg aber teuer bezahlen, denn ich brach natürlich ein. Wer jemals mit acht Jahren in drei Grad kaltes Wasser gefallen ist, weiß, wie ich mich fühlte: Ich hatte einen Kälteschock. Ich konnte kaum atmen. Ich wünschte, ein „Bofrost”-Wagen käme vorbei, damit ich mich darin aufwärmen könne! Und um mich herum standen Ranjid, Hakan und Francesco und lachten sich kaputt. Gut, wenn man Freunde hat!

    Zu Hause bekam ich dann richtig einen auf den Deckel. Mein Vater war außer sich: „Hörst du, Arschkopf – wenn du de See kaputt machst, mach ich dich kaputt!”
    Damals hatte ich kurzzeitig meine Liebe zur Natur verloren. Aber als ich nach ungefähr drei Wochen wieder auftaute, war alles wieder gut. Heute fühle ich mich eins mit der Natur. Ich bin ein richtiges Landei geworden. Nur wenn um mich herum alles grün ist, fühle ich mich richtig wohl – darum fahre ich auch gerne in Zügen, die voll besetzt mit Werder-Bremen-Fans sind.
    Ich bin vor einiger Zeit aufs Land gezogen, und ich finde es super. Das Landleben ist ruhig, unspektakulär und friedlich. Ich bin so viel beruflich unterwegs, dass ich es zwischendurch total genieße, wenn nicht jeder, den ich treffe, sagt: „Ey, Handyfoto”. Stattdessen höre ich auf der Straße nur „Muh”, „Mäh”, oder „Herr Yanar, es ist mir unangenehm, aber ich habe gerade mit meinem Trecker Ihren Wagen touchiert. Dabei hat sich wohl die Handbremse gelöst, und er ist in meine Jauchegrube gerollt.”
    Ich liebe diese Anonymität auf dem Land. Niemand will etwas von mir. In der ganzen Zeit wurde erst zweimal bei mir geklingelt: Einmal waren es die

Weitere Kostenlose Bücher