Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
auf mir liegt. Doch jetzt kann sie nicht mehr die ganze Zeit bei mir sein. Ich bin oft allein, oder François ist da und wacht
über mich, aber das ist nicht dasselbe. Er hat nicht alle Vollmachten, auch wenn er mir langsam vertraut wird.
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»Jalouse« passt gut in die Popströmung der Zeit. Jeanne Mas ist mit »Toute première fois« ganz oben in den Charts, Ãtienne Daho hat den Hit »Tombé pour la France« herausgebracht und der Magier Goldman verzaubert die Radiowellen  â die Achtzigerjahre haben ihren Höhepunkt erreicht. Und der Kampf um den ersten Haarkunstpreis tobt! Die Mode gehört dem Haar, ein Schnitt ist ausgefallener als der andere ⦠Und alberner: Gel, Volumen oder Fläche, Kräusel- oder Schnittlauchlocken, Bananenknoten und langer Nacken. Zeig mir dein Haar, und ich sage dir, wer du bist. Sich zu frisieren ist jetzt ebenso Pflicht, wie sich zu kleiden. Pures Haar gehört sich nicht. Man ahmt Isabelle Adjani und ihren Hahnenkamm in Luc Bessons Subway nach und Madonnas gebleichtes Kraushaar in Susan ⦠verzweifelt gesucht . Genau wie die Bandmitglieder der Depeche Mode trägt sie Ketten um den Hals, als Zeichen eines Industriezeitalters, das den Arbeiter in Ketten legt. Die Kultur will sich der Masse nähern, denn die Masse ist es, die imstande ist zu produzieren. Die Mode kommt von der StraÃe, von den Punks, aus der Metro und kehrt mit Techno und engagierter Unterhaltungsmusik dorthin zurück. Renaud verhöhnt in »Miss Maggie« Margaret Thatcher, Balavoine feiert in dem antirassistischen Song »LâAziza« seine aus Marokko stammende Frau Corine, und Coluche gründet schlieÃlich angesichts all der Arbeitslosigkeit und Armut die Restos du cÅur, die Restaurants des Herzens, in denen Bedürftige in den Wintermonaten Nahrung und Kleidung bekommen.
Die Hoffnungen von 1981 scheinen jetzt weit entfernt. Wie
Rocky hält man sich wacker gegen die allgemeine Verdrossenheit, die dunklen Geschäfte, den Tod des kleinen Grégory und die Tragödie im Heysel-Stadion. Eine traurige, graue Zeit, das zeigt sich auch in der Mode. Die Kleidungsstücke sehen aus wie eingelaufen, die Waden werden sichtbar, der Nabel und die Beine unter dem Minirock, die kurzen Jacken verursachen einen Bruch der Silhouette, und den Teint trägt man jetzt fahl.
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François Bernheim und Bernard Schwartz konzentrieren sich darauf, die Single herauszubringen, und freuen sich über die bereits geplanten Einladungen der Medien. Sie lassen ihre Beziehungen spielen und nutzen vor allem Gérard Depardieus Ruhm. Dass dieser Star mich mitproduziert, öffnet mir von vornherein Türen. Er gehört schon zu den GroÃen des Kinos und hat eine ganze Reihe von Filmen vorzuweisen.
Doch mein Vater hat noch nie von Depardieu gehört. Ich sage ihm, dass er ihn kennenlernen wird. Ich bin mir nicht einmal sicher, dass Schauspieler in Papas Augen überhaupt ein Beruf ist. Ich versuche, es ihm zu erklären, und verweise auf Schauspieler seiner Generation wie zum Beispiel Jean Gabin, damit er begreift, wie bedeutend dieser Mensch ist. Ich möchte, dass ihm bewusst wird, welche Ehre ein Abendessen mit Gérard Depardieu ist und dass man sich entsprechend benehmen muss. Ich schäme mich nicht für Papa. Ich fürchte nur, er könnte ein bisschen zu vertraulich, zu fröhlich, zu spontan sein. Seine Antwort ist sein üblicher Spruch: »Aha. Und ich heiÃe Joseph Kaas und habe siebenundzwanzig Jahre Bergwerk auf dem Buckel, und vorher war ich Eisenbahner!«
Er hat recht, er muss niemandem etwas beweisen, niemandem etwas zeigen. Er hat sich bereits bewiesen, aber im
Schatten. Er leistet seine Arbeit in einer Finsternis, die ebenso dunkel ist wie das auf den Star gerichtete Scheinwerferlicht gleiÃend. Sie leben in gegensätzlichen Welten. Die Begegnung findet in der Welt Depardieus statt, in Paris im VII. Arrondissement, in einem zur Institution gewordenen urfranzösischen Bistro: DâChez Eux. Der Rahmen mit den rot karierten Tischdecken ist genau das Richtige für Papa, der sich ohnehin völlig wohlfühlt. Wahrscheinlich amüsiert sich Depardieu über Papas Gesicht, seine Spottlust und die derben Reaktionen. Zum Glück stehen auf der Speisekarte auch Schnecken, ohne die Papa in einem Restaurant nicht glücklich werden kann. An jenem Abend bekommt er eine ordentliche Portion, die er mit Appetit
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