Madita
sollen gerade die Ausflüge bei Gehirner-
schütterung das beste sein... Was meinst du, willst du nicht doch versuchen, am Mittwoch dabeizusein?«
Aber Mama sagt nichts dergleichen. Sie lächelt Madita nur aufmunternd zu und streichelt ihr die Wange.
»Nun sei nicht traurig, Madita«, sagt sie. »Wir werden uns schon noch etwas anderes Nettes ausdenken.«
Etwas anderes Nettes! Als ob es auf der ganzen Welt irgend etwas anderes Nettes geben könnte außer dem Ausflug!
Am Dienstagabend betet Madita zum lieben Gott, daß er ihr helfen möge. Sie kriecht unter die Decke und flüstert, damit Lisabet es nicht hört:
»Lieber Gott, bitte, hilf mir! Ich möchte so gern mit auf den Ausflug. Mach, daß Onkel Berglund Mama anruft und ihr sagt, daß ich jetzt gesund bin, denn das bin ich ja. Aber es muß schnell gehen, damit wir noch alles vorbereiten können. Ich 51
muß doch Butterbrote mitnehmen und Kakao, und Alva muß
noch mein neues Matrosenkleid bügeln. Also sag Onkel Berglund, daß er jetzt gleich anruft, bitte, bitte, lieber Gott, denn ich möchte so gern dabeisein. Amen!«
Und dann liegt Madita da und lauscht gespannt auf das Läuten des Telefons, aber sie hört nichts. Sie hört nur Lisabet, die von ihrem Bett herüber quengelt:
»Erzähl mir doch was von Gespenstern und Mördern!«
Aber Madita hat keine Lust zum Erzählen. Eine gute Weile liegt sie still da und horcht auf das Läuten des Telefons, das nicht kommt. Dann weint sie ein bißchen unter der Decke, und dann schläft sie ein.
Am Mittwochmorgen wacht sie früh auf. Die Sonne scheint,
und der Himmel ist blau. Was für ein herrlicher Tag für alle glücklichen Schulkinder, die keine Gehirnerschütterung haben! Sie wirft einen hastigen Blick auf die Uhr. Gleich ist es acht. Um diese Zeit fährt der Zug ab. Jetzt sind bestimmt schon alle auf dem Bahnhof versammelt, alle ihre Schulkameraden.
Sie kann es vor sich sehen, wie sie lachen und schwatzen und in die Abteile stürmen, sich an die Fensterplätze drängeln und wer weiß wie vergnügt sind, während sie darauf warten, daß der Zug losdampft.
Madita starrt verbittert auf die Uhr. Es ist eine Kuckucksuhr, und sie hängt über ihrem Bett an der Wand. Madita hört die Uhr ticken und sieht, wie sich der Minutenzeiger immer näher auf die Acht zuschiebt. Und dann kommt der Kuckuck heraus und ruft. Höhnisch ruft er achtmal, und da weint Madita, denn sie weiß, daß der Zug jetzt abgefahren ist. Und sie liegt hier, und nie, nie darf sie dabeisein, wenn etwas Spaß macht.
Lisabet in ihrem Bett erwacht und ist sofort guter Laune. Sie 52
begreift nicht, daß heute ein trauriger Tag ist, sie singt sogar.
»ABCD
die Katze saß im Klee,
die Katze saß im Klee, oje,
scheiden, ach, scheiden tut weh«,
singt sie genauso, wie sie es von Madita gelernt hat. Aber Madita faucht sie nur an:
»Sei doch still, du Dumme! Sei still, sei still!«
»Aha, so ist das also, wir haben mal wieder Sebastian Nigge hier«, sagt Lisabet und kommt sich vor wie Linus-lda.
Aber gerade da geht die Tür auf, und Mama kommt herein. Sie bringt ein Tablett, und es ist so fein gedeckt. Zwei große blaue Tassen stehen darauf und eine Kanne voll Kakao und ein
Körbchen mit frisch gebackenen Waffeln.
Lisabet reißt die Augen auf.
»Hab ich heute Geburtstag?« fragt sie.
»Nein«, sagt Mama. »Aber man kann doch auch ohne Ge-
burtstag einmal etwas Gutes bekommen. Setz dich auf, Ma-
dita, es gibt Kakao und Waffeln.«
Langsam kriecht Madita unter der Decke hervor. Ihre Augen sind feucht. Mama gibt ihr einen Kuß und reicht ihr eine Tasse Kakao und einen Teller voll Waffeln. Wortlos beginnt Madita zu essen. Ganz still sitzt sie da und stopft ein Waffelherz nach dem anderen in sich hinein. Freilich hängen noch Tränen an ihren Wimpern, und freilich ist dies ein trauriger Tag, aber Waffeln und Kakao schmecken doch gut.
Das findet Lisabet auch.
»Es schmeckt genauso wie sonst immer am Geburtstag«, sagt sie.
»Ja, das will ich meinen«, sagt Mama, und dann geht sie
hinaus.
53
Lisabet hat im Nu alles aufgegessen. Sie schleckt den Zucker und das Fett von den Fingern, und dann klettert sie kurz-entschlossen aus dem Bett, denn jetzt will sie sich anziehen.
Als sie so gut wie fertig ist, läutet unten die Haustürglocke.
»Das ist der Briefträger«, sagt Lisabet. »Madita, soll ich mal runtergehen und nachgucken, ob er was für uns hat?«
Nun passiert es zwar nur ganz selten, daß Lisabet und Madita Post bekommen, aber
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