Madita
Lehrerin darüber staunte. Als Papa gegangen ist, faltet sie gehorsam die Zeitung auseinander. Aber von dem, was dort steht, begreift sie nicht viel. Doch es gibt auch Anzeigen darin, da sind Schweine und Ochsen zu verkaufen und prima Damenmäntel
und Kleider, und dann steht da noch etwas von Leuten, die gestorben sind oder sich verlobt haben. Außerdem steht noch allerlei anderes darin, aber das ist nur langweiliges Zeug.
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Mißtrauisch liest Madita die Überschriften. »Anno dazumal«
liest sie an einer Stelle – kann das vielleicht was Lustiges sein?
Madita weiß nicht, was »Anno dazumal« ist, aber sie kommt bald dahinter. Alles handelt nur davon, was die Leute früher getan haben. Die armen Leute, müssen die sich gelangweilt haben! Madita seufzt und läßt die Zeitung sinken. Eigentlich komisch, daß Papa eine so langweilige Zeitung macht, wo er selber doch so ulkig ist. Er bestimmt doch, was drinstehen soll
- warum denkt er sich denn nicht was Lustiges aus? Aber
vielleicht ist es schwer, eine Zeitung zu schreiben... Man 60
müßte es mal versuchen, dann würde man es schon merken,
denkt Madita,
Und sofort beschließt sie, eine eigene Zeitung zu machen.
Gedruckt kann sie natürlich nicht werden, aber sie kann sie ja auf den Zeichenblock schreiben und die Überschriften aus
Papas Zeitung ausschneiden, dann wird alles beinah echt
aussehen.
Mit Zeichenblock und Bleistift, mit Schere und Kleistertopf, die vor ihr auf dem Tablett liegen, kommt Madita bald in Gang.
»Anno dazumal« steht jetzt oben auf dem Zeichenblatt. Das hat sie aus Papas Zeitung ausgeschnitten.
Nun heißt es, sich etwas ausdenken, was darunter stehen
kann. Madita kaut auf dem Bleistift und grübelt, dann schreibt sie:
Anno dazumal
Mehr weiß sie nicht über »Anno dazumal« zu schreiben. Sie nimmt die Schere und schneidet eine neue Überschrift aus
Papas Zeitung. »Vermischtes«. Sie klebt sie auf ein neues Blatt im Zeichenblock, dann kaut sie wieder auf dem Bleistift und grübelt. Dann schreibt sie:
Vermischtes
Damit hat Madita genug über »Vermischtes« geschrieben.
Jetzt guckt sie in Papas Zeitung, um auf neue Ideen zu kommen. Anzeigen – muß man die auch haben, damit es eine
richtige Zeitung wird?
Sie schneidet die Überschrift »Todesfälle« aus und klebt sie auf ein neues Blatt. Dann kaut sie auf dem Bleistift und grübelt wieder. Sie grübelt eine ganze Weile, schließlich nickt sie befriedigt und beginnt zu schreiben.
Als die Anzeige fertig ist, zeichnet sie einen schwarzen Rand ringsum. Und da merkt sie plötzlich, daß sie jetzt keine Lust mehr hat, eine Zeitung zu machen. Zeichnen macht mehr
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Spaß. Und sie zeichnet ein Bild für Papa. Sie zeichnet sich selber, wie sie vom Schuppendach fliegt, und das Bild wird richtig gut.
Als Papa gegen Abend nach Hause kommt, kriegt er es von
Madita geschenkt. Ihm gefällt es auch.
Madita sitzt im Bademantel mit am Tisch. Einen Ausflug machen, das kann sie noch nicht, aber Kohlrüben und Apfelpudding essen, das kann sie schon.
Dann ist es Abend. Madita und Lisabet liegen in ihren Betten und sollen gleich schlafen. Vorher aber kommen Mama und
Papa noch zum Gutenachtsagen ins Kinderzimmer. Mama
erzählt ihnen das Märchen von »Prinz Hütchen«, und Papa
macht Schattenbilder an der Wand. Die Petroleumlampe im
Kinderzimmer leuchtet nur mit schwachem Schein, aber da
nimmt Papa die Lampenglocke ab, und nun ist es heller, und die Schattenbilder werden fein. Sie bewegen sich an der
Wand, bald sieht man einen Ziegenbock mit zwei Hörnern,
bald ein Mädchen, das tanzt, und dabei ist es nur der Schatten 63
von Papas Händen und nichts weiter. Mama und Papa gleich-
zeitig im Kinderzimmer zu haben, ist so schön. Madita
wünscht, sie könnte sie ganz, ganz lange hier festhalten. Aber schließlich sagt Mama:
»Nein, nun müßt ihr aber wirklich schlafen!«
Und da ist Lisabet doch wahrhaftig schon eingeschlafen. Aber Madita liegt an diesem Abend noch lange wach. Wieder muß
sie an den Ausflug denken. Freilich, jetzt ist er vorbei, aber trotzdem! Übermorgen soll sie wieder zur Schule gehen, aber sie weiß schon jetzt, wovon die anderen erzählen werden, alle ihre Klassenkameraden. Nur davon, wie herrlich es war, wie wunderbar und herrlich es war. Nur für Madita nicht. Ach, warum hat bloß sie nicht dabeisein dürfen?
Die Sterne sind heute abend so groß am Himmel. Sie kann
eine ganze Menge durch die Ritze neben dem Rollo sehen.
Sie sind beinah so
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