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Madita

Madita

Titel: Madita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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im Augenblick heilfroh.
    »Siehst du ihn wirklich nicht?« flüstert Abbe. »Siehst du denn nicht das Scheusal da, um das es so weiß leuchtet?«
    »Nein«, sagt Madita wahrheitsgetreu.
    »Komisch«, sagt Abbe. Er sieht es so deutlich, und er spricht auch mit ihm.
    »Hochwohlgeborener Herr Graf, wo habt Ihr die Moneten versteckt? Antwortet mir doch, wenn es Euch genehm ist.«
    Aber es kommt keine Antwort. Dem Herrn Grafen ist es wohl nicht genehm.
    »Er ist bockig wie gewöhnlich«, flüstert Abbe Madita zu. Dann sagt er mit lauter Stimme:
    »Ich bin ja selber Graf und könnte die Moneten brauchen...
    Also bitte, bitte, Opa – wir sind doch verwandt!«
    Dann flüstert er wieder Madita zu:
    »Er sieht gräßlich aus. Siehst du ihn wirklich nicht?«
    »Nein«, versichert Madita, »ich bin eben nicht hellsichtig.«
    »So genau kann man das nicht wissen«, sagt Abbe. »Manch-
    mal dauert es nämlich ’ne ganze Weile, ehe man so richtig in Gang kommt, aber dann sieht man plötzlich überall Gespenster. «
    Aber Madita ist überzeugt davon, daß sie nicht hel sichtig ist.
    Sie hat es ausprobiert, und nun möchte sie wieder fort von hier.
    Da geht wieder ein Ruck durch Abbe, und er flüstert Madita zu:
    »Guck doch, jetzt winkt er mir, er will, daß ich zu ihm komme. -
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    Ja, Ururgroßvater, ich komme«, sagt er laut.
    Aber Madita klammert sich an ihm fest.
    »Nein, geh nicht!« flüstert sie entsetzt.
    »Ich muß«, flüstert Abbe. »Er will mir doch die Moneten zeigen. Bleib hier stehen.«
    Und plötzlich ist Madita allein in der Finsternis. Sie hört, wie Abbe über den Fußboden tapst, und nun weiß sie nicht mehr, was sie tun soll. Ihm zu folgen, traut sie sich nicht, aber sie traut sich auch nicht stehenzubleiben.
    »Abbe!« ruft sie. »Abbe!«
    Aber Abbe antwortet nicht. Die Finsternis hat ihn verschluckt, und die Sekunden vergehen, ohne daß er wiederkommt. Es
    sind lange Sekunden für Madita.
    »Abbe!« ruft sie wieder. »Abbe, ich wil nach Haus!«
    Und genau in diesem Augenblick sieht sie! O Graus und Schreck, sie sieht, sie ist hellsichtig ... Klar, sie sieht das Scheusal, um das es so weiß leuchtet. Es steht dort vor dem Herd, und es ist Graf Krähenkralle, so sicher wie nur was.
    Da schreit Madita, wie sie in ihrem Leben noch nicht geschrien hat. Sie schreit und schreit und tastet nach der Tür, um hinaus-zukommen. Das Licht um Graf Krähenkralle ist schon wieder erloschen. Er ist nicht mehr zu sehen, aber Madita schreit trotzdem. Aus dem Dunkel erklingt Abbes Stimme.
    »Still, Madita, schrei doch nicht so wahnsinnig, Graf Krähenkralle kriegt ja Angst!«
    Aber Madita hört gar nicht hin, sie ist außer sich. Sie will nur fort von hier, hinaus!
    Alva hat ihren freien Abend gehabt und ist in der Stadt gewesen. Sie ist gerade zur rechten Zeit zurückgekehrt, denn als sie den Schlüssel ins Schloß der Küchentür stecken will, da
    kommt Madita angestürzt. Ohne ein Wort schlingt sie die Arme 103
    um Alva und drückt sich so heftig an sie, daß Alva um ein Haar hingefallen wäre.
    «Um Himmels willen, was machst du denn jetzt noch hier
    draußen?« fragt Alva.
    Madita wimmert nur, und Alva spürt, wie sie am ganzen Leibe zittert. Da fragt Alva nicht weiter, sondern zieht Madita rasch in die Küche. Sie zündet die Lampe an, und das ist gar nicht so leicht getan, denn Madita klammert sich an sie, als wäre sie drauf und dran zu ertrinken.
    »Um Himmels willen, was ist denn bloß passiert?« fragt Alva.
    Sie setzt sich auf die Küchenbank, nimmt Madita auf ihren Schoß und wiegt sie hin und her.
    »Alva, ich hab ein Gespenst gesehen«, flüstert Madita. »O
    Alva, ich bin hellsichtig!«
    Es dauert eine gute Weile, bis Alva etwas mehr aus ihr herausbekommt. Sie kann kaum sprechen, und außerdem hat Abbe
    doch gesagt, sie dürfe es keinem einzigen Menschen erzäh-
    len. Aber einem muß sie es einfach erzählen. Und schließlich erfährt Alva die ganze Geschichte von dem Grafen Krähenkralle in Nilssons Waschküche.
    Und da wird Alva fuchsteufelswild.
    »Diesem Abbe werd ich die Haare ausreißen! Der kann was
    erleben für seinen Spuk!«
    Aber Madita verteidigt ihn.
    »Er kann doch nichts dafür, daß er auch hellsichtig ist.«
    »Nicht?« fragt Alva giftig. »Dann wart’s nur ab, bis ich ihn mir vorgeknöpft hab. Dann ist er nicht mehr hellsichtig, das kann ich dir sagen. Hochwohlgeborener Abbe! Der und hochwohlgeboren!«
    Mama und Papa schlafen zum Glück schon, und Alva ver-
    spricht, Madita nicht zu

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