Madita
verraten.
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«Wenn Mama das erfährt«, sagt Alva, «dann bist du zum
letztenmal bei Nilssons gewesen. Aber mit Abbe werd ich ein Hühnchen rupfen, daß er sein Lebtag dran denkt.«
Als Madita am nächsten Tag aus der Schule kommt, lungert
Abbe am Gartenzaun herum, als warte er auf jemand. Seine
Haare hat er noch. Die hat Alva ihm also nicht ausgeris-
sen. Aber ein paar Wahrheiten hat er wohl zu hören bekom-
men, denn er sieht fast ein bißchen wie ein begossener Pudel aus.
Er pfeift, und Madita geht folgsam zu ihm hin.
»Daß du so hellsichtig bist, das hab ich ja nicht wissen können«, sagt er. «Sonst hätt ich dich nie in die Waschküche mitgenommen.«
Madita schaudert es, als sie nur von der Waschküche reden hört.
»Da geh ich nie, nie wieder hin.«
»Aber warum denn nicht?« fragt Abbe. »Vor dem Alten
brauchst du keine Angst mehr zu haben, der kommt nie wie-
der.«
»Woher weißt du denn das?« fragt Madita erstaunt.
»Der hat ausgespukt. Denn jetzt hab ich die Moneten ausge-graben.«
»Wirklich?« fragt Madita.
»Ja, aber du, das ist ein Geheimnis. Also renn nicht gleich wieder zu dieser Alva und erzähl alles.«
Madita verspricht es beschämt. Dann sieht sie Abbe mit gro-
ßen Augen an.
»Da bist du jetzt also reich, Abbe?«
Abbe spuckt gedankenvoll aus.
»Tja! Ich muß schon sagen, wegen lumpiger zweifünfzig hat der Alte unnötig viel Spektakel gemacht.«
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Er schiebt die Hand in die Hosentasche und angelt zwei ein-zelne Kronen und ein Fünfzigörestück hervor.
»Mehr war es nicht?« fragt Madita.
»Nee, mehr war es nicht. Aber du mußt dir natürlich vorstellen, daß der Alte vor über hundert Jahren gelebt hat. Und damals waren zweifünfzig keine kleinen Fische. Darum braucht man sich auch nicht zu wundern, daß er so viel Spektakel mit seiner Spukerei gemacht hat.«
Abbe drückt Madita eine Krone in die Hand.
»Da! Als Schmerzensgeld oder wie das nun heißt.«
Madita strahlt über das ganze Gesicht. Abbe ist doch zu nett.
»Danke, Abbe!«
»Bitte schön«, sagt Abbe. »Es ist zwar Spukgeld, aber man kann sich dafür genauso gut was kaufen wie für gewöhnliches Geld.«
Danach verschwindet der hochwohlgeborene Abbe in seine
Küche. Madita bleibt noch stehen und betrachtet zufrieden ihr Spukgeld.
Man stelle sich bloß vor, über hundert Jahre hat es in Nilssons Waschküche gelegen, und trotzdem ist es so blank und sieht so echt aus. Bestimmt kriegt man dafür Ausschneidepuppen
zu kaufen. »Für Volk und Vaterland« steht darauf. Und außerdem ist da noch der Kopf von König Gustav V. Ja, es sieht genauso aus, wie Geld aussehen muß.
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Jetzt fegt der Schneesturm
durch das Land
Über Birkenlund liegt die große Winterdunkelheit, und bald ist Weihnachten. Madita und Lisabet sprechen jeden Abend davon.
»Wie gut, daß es Weihnachten überhaupt gibt«, sagt Madita.
»Das ist das beste, was sich die Leute ausgedacht haben,
finde ich.«
»Apselut«, sagt Lisabet.
Und sie schütteln ihre Sparschweinchen und lauschen, ob es darin nach viel Geld klingt. Aus diesem Geklimper sollen Weihnachtsgeschenke werden, und darum klimpert es so beson-
ders schön.
An der Wand im Kinderzimmer hängt ein Kalender. Jeden
Morgen reißen sie ein Blatt ab, und dann wissen sie, Weihnachten ist wieder einen Tag näher gekommen.
Auch in der Schule merkt man, daß es auf Weihnachten zu-
geht. Die Lehrerin liest ihnen Weihnachtsgeschichten vor, und sie lernen Weihnachtslieder. Madita kommt nach Hause und
singt sie Lisabet vor.
»Jetzt fegt der Schneesturm durch das Land,
über Berg und Tal hier im Norden«
singt sie.
Und mit einemmal sind die Weihnachtsferien da. »Zu dumm,
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daß wir Weihnachten Ferien haben« – so hat sie damals an
ihrem ersten Schultag gesagt. Aber jetzt geht sie schon ein halbes Jahr lang in die Schule, und da hält sie die Weihnachtsferien für eine ebenso gute Einrichtung wie Weihnachten
selbst.
Alva und Linus-lda haben schon mit dem großen Weihnachts-
putz begonnen. Sie haben alle Gardinen abgenommen, und
an den unerwartetsten Stellen stehen Scheuereimer herum.
Alva geht mit einem großen Staubwedel durch die Zimmer und staubt Decken und Wände ab. Madita und Lisabet flitzen zwischen den Scheuereimern herum und sind überall im Weg,
außerdem hänseln sie Alva.
»Jetzt fegt die dicke Alva durchs Land,
über Decken und Wände im Norden«,
singen sie ihr vor. Lisabet kichert jedesmal so sehr, daß sie sich fast in den Scheuereimer
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